zum Hauptinhalt
Die China-Reise der Kanzlerin und das Veto aus Moskau und China gegen die Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat werfen erneut Grundsatzfragen nach dem richtigen Umgang mit den beiden demokratiefeindlichen Supermächten auf.

© dpa

Russland und China: Deutschland und seine Macht über die Supermächte

Im Umgang mit undemokratischen Systemen wie Russland oder China steckt Deutschland regelmäßig in der Zwickmühle. Doch es gibt einen Ausweg. Wie man den Bündnispartnern die Hand reicht - und gleichzeitig Druck ausübt.

Wer laut nach Hilfe ruft, wenn er sieht, wie der Nachbar seine Frau und seine Kinder zusammenschlägt – was ist das für einer? Jemand, der Anteil nimmt und in Sorge um seine Mitmenschen handelt? Ganz falsch. Das ist jemand, der sich in die inneren Angelegenheiten einer anderen Familie einmischt. Und so was tut man nicht.

Das klingt wie die Argumentation eines kranken Hirns? Keine Spur, das ist offizielle russische und chinesische Politik, gerade erst wieder beim Veto beider Länder gegen eine Syrien-Resolution des Weltsicherheitsrats demonstriert. Russland hatte sich vor einem Jahr bei einer weit schärferen Resolution gegen Libyen nur der Stimme enthalten. Frankreich und England leiteten daraus damals, zunächst von den USA unterstützt, das Recht ab, den Sturz Gaddafis und einen Regimewechsel zu betreiben. Moskau brandmarkte das als Missbrauch des UN- Votums und fürchtet jetzt eine Destabilisierung Syriens, selbst wenn die nun durch das Veto gestoppte Resolution weder einen Truppeneinmarsch noch eine andere militärische Intervention vorsah.

Die arabische Welt und der Westen sind empört über diese Haltung. Auf Dauer wird eine solche Politik das Ansehen der beiden Großmächte in der arabischen Welt untergraben. Natürlich macht sich weder in Washington, noch in London oder Paris jemand Illusionen darüber, dass eine UN-Stellungnahme den Vernichtungsfeldzug der syrischen Armee gegen die Demokratiebewegung und das tausendfache Foltern und Töten Unschuldiger hätte stoppen können. Aber hinter der russisch-chinesischen Verweigerungshaltung stehen eben außerdem noch ganz unverhohlen brutale Menschenverachtung und kaltschnäuziges innenpolitisches Machtkalkül.

Beides, die Skrupellosigkeit und das machiavellistische Denken, ist eine zwangsläufige Folge der realen Situation. Russland definiert sich als gelenkte Demokratie; das ist eine, deren Richtung nicht die Wähler, sondern die Machthaber vorgeben. Sie lassen sich von ihren Posten auch nicht durch etwas so Lästiges wie Wahlen vertreiben. Die dienen allenfalls als Deckmantel, dessen man sich bedient, um die Form zu wahren, und den man sich vorsorglich passend schneidert, etwa dadurch, dass man ein paar tausend Stimmzettel mit dem „richtigen“ Ergebnis bereithält. Das ist dann wirklich ein „Urnengang“: Die Demokratie wird zu Grabe getragen, wie wir es bei der jüngsten russischen Wahl erlebt haben.

Dass der Lehrkörper in der Schule der Diktatoren nichts mehr fürchtet als den Sturz anderer Diktaturen, liegt auf der Hand. Deshalb können Arabellionen und andere spontane Bekundungen der Volkssouveränität auch nie im Interesse Moskaus oder Pekings sein. Wenn dann, wie im Fall Syrien, zudem noch die Angst um den Verlust des einzigen Mittelmeerhafens und eines einträglichen Absatzmarkts für Waffen hinzukommen, wenn also ideologische, machtpolitische und merkantile Gesichtspunkte deckungsgleich sind – ja, dann muss man eben sein Veto einlegen.

Was sagt uns das? Finger weg von Russland oder China? Dazu sind beide Mächte zu groß und global betrachtet zu wichtig. Die Abhängigkeit ist aber nicht ein-, sondern gegenseitig. Wir können sie lockern, zum Beispiel, indem wir mit einer deutlich effizienteren Energiepolitik weniger auf Rohstoffe angewiesen sind. Und nirgendwo steht geschrieben, dass wir, um Geschäfte zu machen, unterwürfig auftreten oder gar wegschauen müssen, wenn der Nachbar um Hilfe ruft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false