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Russland und seine Nachbarn: Der oberste Sowjet will die Union

Wladimir Putin treibt die "Eurasische Union" voran. Damit ist 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion klar: Die Emanzipation Osteuropas von Moskau ist gescheitert.

Sie gehören zur politischen Avantgarde Osteuropas: Seit Beginn des Jahres bilden Russland, Weißrussland und Kasachstan einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Der stellt nach dem Willen des russischen Premiers den Kern einer „Eurasischen Union“ dar, der bald sämtliche zwölf Ex-Sowjetrepubliken (ohne das Baltikum) umfassen soll – als „integraler Bestandteil Europas“, wie Wladimir Putin sagt, „das von den gemeinsamen Werten der Freiheit, der Demokratie und der Marktgesetze vereint wird“.

Die Zentrale der neuen Union befindet sich natürlich in Moskau, denn Russland hat seine imperialen Ambitionen unter Putin keineswegs aufgegeben, sondern wieder verstärkt. Damit wird gleich das Hauptproblem aller Nachbarn des großen Russland seit dem 18. Jahrhundert benannt. Die Sowjetunion hat trotz aller Propagandasprüche von der „Freiheit der Völker“ nichts verändert. Selbst die noch vom russischen Präsidenten Jelzin mit gegründete Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) verlegte ihre Zentrale von der weißrussischen Hauptstadt Minsk wieder zurück nach Moskau. Die GUS ist inzwischen politisch tot. Nun soll die „Eurasische Union“ her, ein Konzept, das Putin von bisher eher marginalen rechts-nationalen russischen Kreisen übernommen hat.

Problematisch ist vor allem das Verständnis von Werten wie Freiheit, Demokratie und Marktgesetzen des ehemaligen KGB-Offiziers Putin. Die jüngsten Parlamentswahlen haben gezeigt, dass die von ihm zitierten „gemeinsamen Werte“ andere sind als in der EU. Die wirtschaftlich für eine „Eurasische Union“ wichtigsten Staaten haben sich in den letzten Monaten Putins „gelenktem“ Freiheits- und Demokratieverständnis angenähert. Erst kurz zurück liegt die Zeit, als die Ukraine Menschenrechte und Pressefreiheit achtete und ernst gemeinte europäische Ambitionen hegte. Im Herbst 2011 hat sich die ukrainische Regierungsmannschaft um den einstigen Putin-Liebling Wiktor Janukowitsch einen eigenen Michail Chodorkowski geschaffen.

Wie Jahre zuvor schon in Russland wurde jene Oppositionskraft, Julia Timoschenko, die den Machthabenden wirklich gefährlich hätte werden können, nach einem politisch motivierten Prozess unter fadenscheinigen Gründen für Jahre weggesperrt. Zuvor hatte Janukowitsch Lokalwahlen fälschen lassen und weniger bekannte Exponenten der Pro-Europäer eingesperrt oder ins Exil getrieben. Dazu kam der Entzug von Sendelizenzen für kritische Fernsehkanäle und eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit.

Eigentlich fehlt der "Union" im Osten nur noch Putins erneute Wahl zum russischen Präsidenten

Noch ist die stolze Ukraine Putins Zollunion, die eine Vorstufe zur „Eurasischen Union“ sein soll, nicht beigetreten. Doch Janukowitsch hat sich durch den Umgang mit Timoschenko – trotz anderslautender Bekenntnisse – abgewandt. Der Kreml reibt sich derweil die Hände, auch wenn für Russland der Kampf um die Übernahme der ukrainischen Pipelines gerade erst in eine neue Runde gegangen ist. Das marode Land – praktisch ohne eigene Energiereserven – wird sich Moskau wohl auch bald wirtschaftlich unterwerfen.

In Weißrussland wurde die vorsichtige Annäherung an die EU ebenfalls beendet. Die brutale Niederschlagung der Nachwahlproteste Ende 2010 waren der Auftakt. Provoziert durch Meldungen über einen angeblichen Sturm auf das Parlamentsgebäude in Minsk ließ der Autokrat Aleksander Lukaschenko gleich Hunderte von Demonstranten verprügeln und festnehmen. Wer das Handgemenge vor dem Parlament provoziert hatte, darüber wird in der weißrussischen Opposition bis heute spekuliert. Hartnäckig hält sich die Version vom Einfluss russischer Geheimdienste.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Kreml größter Nutznießer der Repressionen in Weißrussland ist. Denn auch sie haben die Annäherung an die EU gestoppt und Lukaschenko international vollständig isoliert. Infolge der Wirtschaftskrise musste der Autokrat im Dezember sogar seine Transitpipelines an Russland verkaufen; ein Schritt, gegen den er sich aus Angst vor dem Souveränitätsverlust jahrelang gewehrt hatte.

Ein gefügiges Weißrussland ist für Putin besonders nützlich, denn Lukaschenko, der sich seit seiner Machtübernahme vor 17 Jahren nicht mehr um Menschenrechte schert, lässt den Kremlherrn in einem besseren Licht erscheinen. „Schaut doch nach Weißrussland, dort ist es noch viel schlechter“, kann er Bürgerrechtlern und westlichen Politikern entgegenhalten.

Eigentlich fehlt der neuen „Union“ im Osten damit nur noch Putins erneute Wahl zum russischen Präsidenten. Auch hier wird sich der Kreml zu helfen wissen – und sei es mit leeren Demokratieversprechen.

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