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S-Bahn-Desaster: Wie man seinen Ruf ruiniert

So sieht also eine lückenlose Aufklärung bei der Bahn aus. Nichts Genaues weiß man nicht, aber es steht schon fest, dass selbstverständlich die Anderen für das Desaster bei der S-Bahn in Berlin verantwortlich sind.

Die gestern vom Konzern vorgestellte Untersuchung zu den Ursachen der „Betriebsstörungen“ gibt jedenfalls noch keine befriedigende Antwort, wie weit der Konzern bei der Aufsicht über jenes Tochterunternehmen versagt hat, in dem jahrelang Sicherheitsbestimmungen missachtet worden sind. Dass es bei zwei Unfällen „nur“ 37 Verletzte gab, war reines Glück. Es hätte auch anders ausgehen können. Hier kann einem auch nachträglich nur noch angst und bange werden. Eine solche Schlamperei ausgerechnet bei der Bahn, die einst auf ihre Sicherheit so stolz war.

Was bisher unvorstellbar war – jetzt ist es Gewissheit. Schwere organisatorische Mängel hat es nach dem Bericht, den der Bahn-Konzern in Auftrag gegeben hatte, bei der S-Bahn gegeben. Arbeitsanweisungen für die Wartung der Bremsen an den Zügen seien zum Teil unvollständig, unverständlich, nicht aktuell oder sogar falsch gewesen. Eine Qualitätskontrolle habe es nicht gegeben. Jahrelang müssen demnach Züge ohne funktionierende Bremsen an einem Teil der Wagen unterwegs gewesen sein. Und keine Kontrollinstanz hat davon etwas gemerkt. Es war der Konzernvorstand, der die doch so unfähigen Manager bei der S-Bahn auf ihre Stühle gehievt hat.

Und selbstverständlich konstatiert der Auftragsbericht auch, dass die Wagen der neuesten Baureihe bei der S-Bahn nach heutigen Erkenntnissen in wesentlichen Teilen falsch konstruiert seien. Wie es trotzdem zur Zulassung gekommen sei, will die Bahn aber erst jetzt gemeinsam mit dem Hersteller Bombardier klären. Doch das Ergebnis will man schon heute kennen: Schuld ist nur der Hersteller. Bombardier hat aber die Züge nach den Vorgaben der Bahn gebaut, und die Bahn hat die Fahrzeuge auch abgenommen. Und für die anschließende Wartung der Züge, bei der extrem geschlampt worden war, ist die Bahn allein zuständig.

Und die Prüfer verblüffen weiter: Ihrer Ansicht nach hat das Desaster nichts mit dem allgegenwärtigen Spardruck zu tun, der unter anderem dazu geführt hat, dass Werkstätten geschlossen, Mitarbeiter geschasst und Fahrzeuge verschrottet wurden. Das Unternehmen sei ein Sanierungsfall gewesen, wollen uns die Prüfer weismachen. Ein Betrieb, der nach der früheren Finanzplanung in diesem Jahr einen Gewinn in Höhe von 125,1 Millionen Euro erwirtschaften sollte und seit Jahren schon zweistellige Millionengewinne machte, die der Konzern einsteckte, soll ein Sanierungsfall sein? Wäre es so, hätte der Konzern das Geld erst recht bei der S-Bahn lassen müssen, um ihr wieder auf die Gleise zu verhelfen, statt damit die Bilanz für den geplanten Börsengang zu verschönern.

Dazu passt, dass es auch noch keine weiteren personellen Konsequenzen gibt. Die frühere Geschäftsleitung ist zwar komplett gefeuert worden, sie erhält aber weiter ihre Bezüge, weil ihr Vertrag mit dem Konzern noch gilt. Nun muss lediglich noch der Aufsichtsratsvorsitzende seinen Hut nehmen. Aber offiziell nur, weil umorganisiert wird. Woanders mussten Angestellte schon aus banaleren Gründen gehen.

Eine lückenlose Aufklärung sieht anders aus. Vom Ziel, Vertrauen bei Fahrgästen und der Politik zurückzugewinnen, ist der Konzern noch weit entfernt. Und das ist nun wirklich eindeutig seine Schuld.

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