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Meinung: Sandige Ebene, lichte Höh’

Die CDU und der Irakkrieg: Das Zurückrudern beginnt

In Südbayern, unweit der Zugspitze, liegt Schloss Elmau. Hier, gut 900 Meter über dem Meer, ist man der Berliner Politik entrückt. Vielleicht deshalb tagte der German Marshall Fund dieser Tage auf Schloss Elmau. Zu den Gästen gehörte ein britischer Europaparlamentarier. Und der erklärte inbrünstig, unter einer Unionsregierung wäre in Deutschland alles besser. Die Bundeswehr verwaltete dann wohl schon einen Sektor Iraks, zumindest aber wären deutsche Soldaten dabei, wenn es bald ein Nato-Mandat für das Zweistromland gäbe.

Woher der Brite dies wissen will? Gerade hatte Angela Merkel zu der Konferenz gesprochen. Von Friedbert Pflüger, dem Außenpolitiker der Union, fühlte sich der Mann von der Insel ohnehin bestärkt. Wie passt dies zusammen mit Jörg Schönbohm, der den Irakkrieg für „rückblickend falsch“ hält – oder mit Volker Rühe, der das heutige Verhalten der Besatzer „erschreckend“ findet?

Fragen nach der Union und dem Irak folgen dem Muster: „Was wäre, wenn?" Denn die Union regiert nicht. Ungebrochen wäre das, was sie jetzt sagt, nicht das, was sie täte, wäre sie am Ruder. Wir sind also im Bereich des Spekulativen. Was aber nicht heißt, dass die Union an Fakten vorbeikäme. Über 90 Prozent der Deutschen lehnten Bush und seinen Krieg ab. Dies bedeutet, dass so gut wie kein Sozialdemokrat oder Grüner den Feldzug gegen Saddam gut hieß. Aber es heißt eben auch, dass in der Anhängerschaft von Union und FDP nur eine kleine Minderheit einen Schulterschluss mit Washington befürwortet.

Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass Schönbohms Bekenntnis weniger mit dem 19. März 2003, als Bush den Angriff auf Bagdad befahl, als mit dem 19. September 2004 zu tun hat. Dann wählt Brandenburg. Dann möchte Schönbohm Ministerpräsident werden. In einem Land, in dem Kriegsbefürworter mit der Lupe gesucht werden müssen.

In entwaffnender Offenheit hat Pflüger als Erster die Seele der Union ausgebreitet: Man habe doch keine Lust, länger etwas zu verteidigen, das nicht einmal mehr Colin Powell gutheißt; man wolle nicht als der letzte Leichtgläubige dastehen, der an Saddams Wunderwaffen glaubt. Natürlich versucht die Union, das Zurückrudern mit einer Schuldzuweisung an die Bundesregierung zu verbinden. Falsche Hinweise deutscher Geheimdienste hätten beide, Union wie USA, aufs Glatteis geführt. Diese These Pflügers erntete nicht das Maß an Häme, das Rot-Grün hätte versprühen können. So macht Schönbohm nun den Zweiten. Und Rühe begleitet. Nur Wolfgang Schäuble hält sich zurück.

Militaristischer als Bush zu erscheinen – das ist nicht nur ein Schreckgespenst, das ist innenpolitischer Suizid. Zwischen dieser Realität und dem Wunsch, außenpolitisch den Bonus größerer Verlässlichkeit für sich zu reklamieren, spreizt sich die Union. Anders gesagt: Zwischen den Niederungen märkischer Stimmungen und den lichten Merkel-Höhen des alpinen Internationalismus.

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