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Bundespräsident Christian Wulff.

© dpa

Sarrazin und Wulff: Der Bundespräsident als Mediator

Politisch sollte er handeln, ohne dass der Einfluss der Politik nachweisbar wäre? Das geht nicht. Bundespräsident Wulff hat den Fall Sarrazin gelöst - wie ein Politprofi. Ein Kommentar.

Keine hundert Tage im Amt, und Christian Wulff hat Angela Merkel bestätigt. Die Kanzlerin wollte erklärtermaßen einen Politprofi als Bundespräsidenten – sie hat einen. Wie der den schwierigsten Fall der vergangenen Monate gelöst hat, den Fall Sarrazin: Das kann nur einer, der mit allen Wassern gewaschen ist. Ob das mit dem Wasser der Leine zu tun hat?

Die SPD will das natürlich nicht wahrhaben. Sie meckert an Wulff herum, meint, dass er sich nicht hätte einmischen und schon gar keine Lösung mit der Bundesbank finden dürfen. Abgesehen davon, dass der SPD-Chef den Bundespräsidenten nicht leiden kann – sie kennen sich noch aus Hannover, Sigmar Gabriel war Wulff bei der Landtagswahl unterlegen – ist das doch zu vordergründig. Die Opposition wollte Joachim Gauck durchsetzen und wird deshalb jetzt nicht sagen, dass Wulff das aber gut gemacht hat. Was man sagen kann, eigentlich sogar sagen muss.

Es ist doch so: Die Bundeskanzlerin hatte, vor allen, Thilo Sarrazin geächtet. Sie wollte ihn nicht mehr in der Bundesbank sehen. Erstens hat Merkel damit die SPD in Schwierigkeiten gebracht, was der Kanzlerin willkommen ist: Genosse ist Sarrazin immer noch, und die Partei tut sich schwer damit, ihn loszuwerden. Zweitens hat die Regierungschefin ihren Präsidenten in unwillkommene Schwierigkeiten gebracht; er hatte den Fall plötzlich wie einen Mühlstein um den Hals hängen. Denn der Bundespräsident in seinem überparteilichem Amt sollte Sarrazin entlassen, weil die Bundesbank ja von Parteipolitik völlig unabhängig sein soll.

Politisch sollte er handeln, ohne dass der Einfluss der Politik nachweisbar wäre? Das geht nicht. Hätte Wulff Sarrazin auf Antrag der Bundesbank entlassen – den Prozess hätte die Bundesrepublik Deutschland in Gestalt ihres Präsidenten verloren. Was für ein Desaster! Der erste Teil der staatspolitischen Affäre, der innenpolitische, ist damit durch „Mediation“ abgewendet – der zweite, der außenpolitische, auch. Das Ansehen der Bundesrepublik ist international gewahrt.

Dabei ist es unerheblich, wie der Staatssekretär des Präsidialamts genau vorgegangen ist, ob mit einem oder zwei Treffen, ob mit oder ohne Lösungsvorschläge – entscheidend ist, was hinten rauskam. Politprofi, der Wulff ist, war er noch nicht einmal im Lande, als das zusammengebracht wurde, er war auf Staatsbesuch in der Schweiz: im Land der Banken! Sarrazin ist weg und bekommt nicht bis 2014 Hunderttausende Euro Gehalt und dann eine stattliche Pension, sondern erhält jetzt die stattliche Pension wie zum regulären Ende seiner Dienstzeit. Anders gesagt: In jeder Hinsicht hat das Präsidialamt Deutschland ganz schön was erspart. Richtig billig allerdings ist, wie ausgerechnet die Bundesbank nun, bei anschwellender Kritik, mit Desinformation Präsident Wulff in schlechtes Licht zu rücken versucht.

Summa summarum: Brückenbauer will der Präsident sein. Das hat in einem ersten Fall geklappt. Die Politik kann ihm danken, vor allem die Kanzlerin. Oberster Integrator will Wulff aber auch sein, und dazu die innere Einheit vorantreiben. Als Ministerpräsident hat er die erste türkische Muslima zur Ministerin gemacht; als Bundespräsident muss er daraus etwas machen. Bisher hat Wulff geschwiegen, auch weil Tagespolitik nicht seine Aufgabe ist. Aber jetzt, wenn nach seinen ersten hundert Tagen die Einheitsfeiern anstehen, muss er sich und seine Präsidentschaft erklären. Da ist Wulff im Obligo.

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