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Meinung: Schecks und keine Balances

Von Ursula Weidenfeld

Hans Eichel wird es wieder tun, das ist sicher. Wenn die Steuerschätzer am Donnerstag feststellen, dass den öffentlichen Haushalten rund fünf Millarden Euro mehr fehlen werden als geplant, wird der Bundesfinanzminister einen neuen Scheck ausstellen: Er wird vorschlagen, noch mehr zu privatisieren, Pensionslasten von Post und Telekom auszubuchen und weitere Außenstände der Bundesrepublik an private Finanziers zu verkaufen. Doch der Scheck ist nicht gedeckt. Schon jetzt hat Eichel 15 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen in den Etat des kommenden Jahres gebucht – obwohl niemand im Ernst glaubt, dass er sie tatsächlich einnehmen wird. Und schon jetzt ist klar, dass für die Arbeitsmarktpolitik noch einmal 2,2 Milliarden Euro mehr fällig werden als veranschlagt.

Die Lage ist vertrackt. Denn das, was der Finanzminister nicht tun wird, steht ebenfalls schon so gut wie fest: Er wird voraussichtlich nicht noch mehr sparen, etwa durch Subventionsabbau. Und er wird auch keinen neuen Anlauf nehmen, mehr Geld einzunehmen, etwa durch eine Steuererhöhung. Für beides gibt es im Augenblick weder im Regierungslager noch in der Opposition eine Mehrheit. Eichels Haushaltsentwurf wird sich mit der Steuerschätzung vom Donnerstag deshalb noch weiter in das Reich der Fantasie verabschieden. Nun könnte man sagen, dass das nicht so schlimm ist, weil es in den letzten Jahren nicht anders war. Doch so ist es nicht: Schon jetzt warnen die Rechnungshöfe, dass die öffentlichen Finanzen nicht nur gegen die Stabilitätskriterien des MaastrichtVertrages verstoßen, sondern dass sie auch komplett verfassungswidrig zusammengeschustert sind.

Ein Land, dessen Finanzminister sich aber nicht mehr trauen dürfen, ehrliche Haushalte aufzustellen, wird auch die Kraft zu einer ehrlichen Steuerdebatte nicht finden. Nur wenn klar ist, welche Lasten wirklich geschultert werden müssen, kann auch eine Debatte über die gerechte Verteilung stattfinden. Es wird nicht reichen, härtere Strafen für Steuerflüchtige zu fordern. Oder eine Erbschaftsteuer. Oder neuen Sozialabbau. Oder eine Mehrwertsteuererhöhung. Oder mehr private Verantwortung für die eigene Gesundheit. Vermutlich wird man alles brauchen. Darauf sollten sich auch diejenigen vorbereiten, die heute so tun, als lasse sich mit der rigorosen Besteuerung von Superreichen und Weltkonzernen der Staat sanieren.

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