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Meinung: Schneller Rückzug auf die S-Bahn

Steinbrück ist die Kontrolle über den Koalitionsstreit entglitten

Außer Spesen nichts gewesen? Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat einen wochenlangen Streit über die rot-grüne Koalition vom Zaun gebrochen, dessen Inhalt sich aus der Nähe und aus der Ferne nicht so recht erschließen wollte. Jedenfalls hat Peer Steinbrück irgendwie mehr Modernität verlangt. Von den Seinen und vor allem von den Grünen an Rhein und Ruhr, die im Vergleich zu ihren Realo-Freunden in der Bundespolitik als leicht verträumte Verweigerer gelten. Vor allem verkehrspolitisch, und erst recht, wenn es um den Metrorapid geht. Nun ist er weg, der schnittige Schnellzug, den die Grünen nicht wollten. Der zwischen Dortmund und Düsseldorf beweisen sollte, dass Nordrhein-Westfalen auf der Höhe der Zeit ist und von einem Landeschef regiert wird, der weiß, wie man sich durchsetzt. Dem Landesvolk und den politischen Beobachtern aus nah und fern bleibt trotzdem eine Erkenntnis: Dieser Ministerpräsident kämpft nicht nach den bekannten Regeln der politischen Kunst. Er führt seine Kämpfe in einem absolut unorthodoxen Freistil.

Mag sein, dass ihn dabei in den letzten Tagen der eine oder andere Zuruf aus der Ferne erreicht hat. Jedenfalls stand der Bundesverkehrsminister, wie man so sagt, Gewehr bei Fuß, als Steinbrück gestern in Düsseldorf seinen überraschenden Rückzug vom Großprojekt Metrorapid verkündete. Manfred Stolpe zeigte sich bei der Einweihung eines neuen Flughafen-Terminals in München zuversichtlich, dass dort die superschnelle Strecke zum Flughafen gebaut werde. Was mit anderen Worten heißt, dass den Transrapid-Sympathisanten Gerhard Schröder und Wolfgang Clement die Blamage erspart bleiben wird, dass es mit diesem Projekt in Deutschland gar nichts wird. Aus Berlin verströmte zeitgleich Stolpes Sprecher die Gewissheit, dass Steinbrücks Ersatz-Variante, die Metro-S-Bahn, finanziert werden könne.

Vom eleganten Raser zur S-Bahn? Dass da bloß keiner auf den Gedanken kommt, dieser Vorgang hätte Ähnlichkeit mit dem Bild vom Politiker, der als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet ist. In dieser Republik geht zurzeit zu viel drunter und drüber, als dass man sich an diese bewährten Vergleiche halten könnte. Wo Sozialdemokraten in den Sozialstaat hineinschneiden und die Christen-Union einen Robin Hood namens Horst zu ihrem Verhandlungsführer macht, ist alles möglich. Sogar, dass Steinbrücks Begründung stimmt, er habe sich eben gegen das Wünschenswerte und für das Mögliche entschieden. Es ist noch nicht einmal auszuschließen, dass beide Erklärungen zutreffen. Steinbrücks offizielle und die andere, die der gesunde Menschenverstand nahe legt. Letzterer kann nach dem Verlauf der letzten Wochen nur zu dem Schluss kommen, dass Steinbrück einen Streit mit dem Koalitionspartner angefangen hat, dessen Motiv – die Angst vor krachenden Niederlagen bei den Kommunal- und Landtagswahlen im nächsten und übernächsten Jahr – nachvollziehbar war. Dass dieser Streit ihm schnell entglitten ist, weil er ihm keinen erkennbaren Inhalt, keine eigene nordrhein-westfälische Reformagenda geben konnte. Der in Berlin mit wachsendem Ärger registriert wurde, und dass umso mehr, als Schröders rot-grüne Regierung mit der Agenda 2010, bei Gesundheit und Steuern ihrerseits politischen Schwung zurückgewinnen konnte. Schließlich konnte der Beobachter mit dem gesunden Menschenverstand früher als der unorthodoxe Stilist Steinbrück sehen, dass in sportlichen wie in politischen Kämpfen das Gesetz gilt, wonach die eigene Dynamik sich in Energien für den Gegner verwandelt, wenn man die Kräfte nicht beherrscht. Dann ist ein Schritt zurück einfach zwingend.

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