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Meinung: Schreib oder stirb

Die Wissenschaft sollte ihre Publikationspraxis überdenken

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Publikationen sind der Herzschlag des Wissenschaftlers. Hört ein Forscher auf, regelmäßig zu veröffentlichen, ist er wissenschaftlich tot: „publish or perish“, publiziere oder stirb, lautet das harte Gesetz der Forscherwelt. Wer andererseits viel in guten Fachzeitschriften veröffentlicht, kann auf Anerkennung bei den Kollegen, gut dotierte Posten und renommierte Preise hoffen. Was publikationswürdig ist, entscheiden die Journale auf der Basis von Gutachten, die von Wissenschaftlern desselben Fachgebietes gratis erstellt werden. Dieses „PeerReview“ gilt als hartes, aber immerhin einigermaßen gerechtes Verfahren, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die Symbiose der Forscher mit ihren lebenswichtigen Publikationsorganen ist jedoch aus dem Gleichgewicht geraten. Die mächtigen Wissenschaftsverlage verlangen auf der einen Seite die unentgeltliche Übertragung sämtlicher Urheberrechte – der Autor darf seine Arbeit nicht einmal auf die eigene Website stellen. Auf der anderen Seite nutzten die Verlage ihr wissenschaftliches Informationsmonopol, um die Preise in astronomische Höhen zu treiben. Bei jährlichen Abonnementkosten von mehreren Tausend Euro können sich die klammen Bibliotheken nur noch eine begrenzte Auswahl wichtiger Zeitschriften leisten; für die Dritte Welt sind viele Fachblätter – trotz vieler Rabatte – vollkommen unerschwinglich. Im Gegensatz zur Katerstimmung bei anderen Medien läuft das Geschäft mit wissenschaftlichen Publikationen glänzend: Der Marktführer Reed-Elsevier etwa erwirtschaftete im vergangenen Jahr satte 30 Prozent Rendite.

Viele Wissenschaftler sehen nicht mehr ein, warum sie sich als Autoren, Gutachter und Leser dem Joch der Verlage unterwerfen sollen. Über 30 000 unterschrieben einen Boykottaufruf gegen Druckanstalten, die ihre Archive nicht wenigstens mit älteren Publikationen gratis im Internet zur Verfügung stellen. Jetzt ist der Protestbewegung ein weiterer, möglicherweise entscheidender Schritt gelungen: Die vor kurzem gegründete „Public Library of Sciences“, die die Hoheit der Wissenschaft über ihre eigenen Ergebnisse zurückerobern will, erhielt eine Spende von 9 Millionen Dollar. Unter Führung des Nobelpreisträgers Harold Varmus und mit Unterstützung des „Howard Hughes Medical Institute“, eine der renommiertesten biomedizinischen Forschungsstätten der Welt, wollen die akademischen Freischärler nun zwei eigene Internet-Journale herausgeben. Diese sollen einem genauso strengen Peer-Review unterworfen und ebenso hochwertig gestaltet werden wie die Blätter der kommerziellen Konkurrenz – und trotzdem für die Leser gratis sein.

Die einschlägigen Verlage sind drauf und dran, eine Trendwende in der wissenschaftlichen Kommunikation zu verschlafen. Durch das Internet sind Forscher neuerdings in der Lage, ihre Informationen auch ohne teure Printmedien auszutauschen. Die Ergebnisse können online kommentiert und Irrtümer einfach korrigiert werden. Die Verlage sollten das nutzen und eigene Internet-Publikationsplattformen entwickeln – denn „publish or perish“ gilt künftig auch in der Verlagswelt.

Der Autor ist Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle-Wittenberg. Foto: J.Peyer

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