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Meinung: Schröder - allein mit der SPD: Mit der Macht der Troika

Aus welchem Grund ist Gerhard Schröder vor zwei Jahren zum Bundeskanzler gewählt worden? Diese Frage stellt sich jetzt neu, weil sich in der Rentendebatte die Frage nach der Verfassung des Kanzlers stellt.

Aus welchem Grund ist Gerhard Schröder vor zwei Jahren zum Bundeskanzler gewählt worden? Diese Frage stellt sich jetzt neu, weil sich in der Rentendebatte die Frage nach der Verfassung des Kanzlers stellt. Plötzlich wirkt er nicht mehr souverän, nicht mehr als Macher, sondern als Dulder. Und dulden, das steht ihm nicht. Also, die Antwort: Schröder wurde gewählt, weil er - vor allem - nicht Helmut Kohl war. Ein nochmaliges "Weiter so" mit dem Rekordkanzler erschien überholt, Kohl entschieden zu gestrig. Und die SPD wurde gewählt, weil Schröder auch nicht Oskar Lafontaine war: Das pur Sozialdemokratische musste aufgelockert werden, damit die, die der Politik nach Kohlscher Machtart überdrüssig waren, die politische Farbe wechseln konnten, ohne Rot zu werden.

Nun ist Schröder auf sich allein gestellt. Und dieser Ausdruck trifft es in vollem Umfang: Lafontaine hat sich davongemacht, Kohl ist mit seinen gegenwärtigen Vorwürfen entrückt auf eine Weise, dass er als Maßstab für gutes oder schlechtes Regieren nicht mehr taugt.

Stattdessen nun die Entdeckung der Langeweile. Schröder steht allein an der Spitze seiner Partei, aus der erfolgreichen horizontalen Führungsstruktur mit mehreren gleichberechtigten Partnern ist eine stramm von oben nach unten gegliederte geworden: Weit unter dem Kanzler sind Peter Struck für die Fraktion und Franz Müntefering in der Partei zuständig. Von Gleichberechtigung ist keine Spur. Müntefering verschafft sich zwar Respekt bei der Kaste der Funktionäre, bei ihnen setzt er auch eine Bereitschaft zur Strukturreform durch, aber Entlastung in der Sinngebung kommt von ihm nicht. Weder er noch Struck verschaffen Schröder den Spielraum, den er vorher hatte, um öffentlich als Plus an Modernität und Innovation für die SPD in Erscheinung zu treten. Vielmehr gerät Schröder als Kanzler plus, als Regierungs- und Parteichef, in die Enge, holt ihn der traditionelle Sozialdemokratismus ein. Der äußert sich besonders in der Fraktion: Die Abgeordneten folgen Schröders Tagesbefehl, leisten allerdings zugleich hinhaltenden Widerstand, manchmal subversiv.

So ist er als Kanzler - wie gerade zu sehen ist - immer wieder Stimmungen und Strömungen der Fraktion unterworfen. Immerhin gut 40 Prozent vertreten eine sozialpolitische Linie wie früher Rudolf Dressler, es fehlt nur einer, der ihr Gesicht und Stimme verleiht. Das hat negative Folgen, auch diese: Zum einen fehlt die frühere Bindungswirkung nach außen, zum anderen fehlt einer, der parteiintern ausreichend Autorität genießt, Absprachen treffen zu können. Damit ist Schröder auch hier wieder selbst gefordert, alle integrierend aufzutreten, was ihn noch mehr von seiner ursprünglichen Rolle entfernt. Deren Wert bestand ja gerade darin, dass er sich von der SPD entfernte, um sie attraktiv für die "Mitte" zu machen. Ein in diesem Sinne hilfreicher Ausgleich mit Lafontaine schien kurze Zeit möglich, wurde aber wieder verworfen.

Die Suche nach Orientierung hat zwangsläufig wieder begonnen, weil sich die bisherigen Sinngebungsversuche aufgezehrt haben: Schröder plus Spaß, Schröder plus Schickimicki, Schröder plus Neoliberalismus, Schröder plus Zivilgesellschaft - entweder sind die Ansätze verunglückt, wie beim Blair-Schröder-Mandelson-Hombach-Papier, oder sie sind nicht durchgedrungen, wie bei dem Versuch der Intellektualisierung durch den Begriff der Zivilgesellschaft. Von alledem ist nichts mehr zu hören. Hier nun eröffnet sich eine Perspektive für die Opposition. Während bei der SPD alles auf Schröder konzentriert ist und demgemäß alles an ihm zerrt, ist die Union zur horizontalen Führung, also zur Rollenverteilung, geradezu verdammt: Es bildet sich wie von selbst eine Troika aus Angela Merkel, Friedrich Merz und Edmund Stoiber. Sie wird genau wie die seinerzeitige der SPD - im Jahr 1994 - noch herausfinden müssen, wer als Kanzlerkandidat am meisten zusätzliche Stimmen bringt, genauso wie vordem Schröder. Die damalige SPD-Troika kam ja auch nur zeitlich gesehen zu spät, um dem (knapp gescheiterten) Kandidaten Rudolf Scharping den Sieg zu bringen. Bei einer Konzentration der Kräfte nach gleichsam historischen Vorbild ergibt sich daraus sogar eine Siegchance für die Union.

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