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Finanzminister in Nöten. Keine neuen Steuern und keine neuen Schulden – das war das Kernversprechen von CDU und CSU im Wahlkampf.

© dpa

Schuldenbremse bringt höhere Steuern: Ohne Ausgabenbremse werden die Steuern steigen

Die Schuldenbremse sollte die Politik zum Sparen zwingen. Doch dies gelingt nicht einmal in Zeiten der guten Konjunktur. Die Wirkung könnte sich auch noch ins Gegenteil verkehren - und höhere Steuern bringen.

Ziemlich genau fünf Jahre ist es her, dass die deutsche Politik auf Entzug ging. Am 29. Mai 2009 beschloss der Bundestag die sogenannte Schuldenbremse. Mitten in der tiefsten Finanzkrise der Nachkriegszeit sollte ein Signal der Läuterung ausgesandt werden: Ja, jetzt machen wir Schulden auf Teufel komm’ raus. Aber für die Zukunft geloben wir Besserung. Versprochen!

Es passte in die Zeit. Während Amerikaner, Briten oder Griechen als halbseidene Schuldenkönige dargestellt wurden, waren die Deutschen immer stolz auf ihre vermeintlich grundsolide Beziehung zum Geld. Gäbe es eine Nationalfigur wie die Marianne in Frankreich, hier wäre es wohl die schwäbische Hausfrau.

Immerhin: Mit der Selbstverpflichtung, so gut wie keine neuen Schulden mehr zu machen, gaben auch deutsche Politiker erstmals zu, Süchtige zu sein. Den Schlüssel zum Spirituosenschrank schmissen sie weg. In der Hoffnung, niemand werde merken, dass neuer Stoff sich auch anderweitig beschaffen lässt.

Die Idee hinter der Schuldenbremse war, dass der Staat sparsamer wirtschaften sollte. Wenn schon die Selbstdisziplinierung gewählter Politiker nicht klappte, dann sollte – auch dies eine ziemlich deutsche Lösung – zumindest das Grundgesetz Einhalt gebieten. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, die Kreditaufnahme zu verringern: Man spart bei den Ausgaben – oder man erhöht die Einnahmen.

Die große Koalition macht zurzeit keines von beidem. Gespart wird nicht, wie zuletzt das Rentenpaket zeigte. Und in puncto Steuererhöhungen ist die Union selbst auf die Bremse getreten. Indem sie diese im Bundestagswahlkampf ausgeschlossen hat.

Der ausgeglichene Haushalt hat viel mit niedrigen Zinsen zu tun

Doch das muss nicht immer so bleiben. In nicht allzu ferner Zukunft könnte ausgerechnet die vielgelobte Schuldenbremse Steuererhöhungen erzwingen. Und zwar nicht nur für einige Wohlhabende, sondern für alle Steuerzahler. Dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Moment von einem ausgeglichenen Haushalt spricht, hat nämlich viel mit der Niedrigzinsphase zu tun, die die Eurozone gerade durchlebt. Sollten Kredite aller Art in den nächsten drei, vier Jahren wieder teurer werden – wie von Schäuble selbst wegen der schlechten Lage der Sparer bereits angemahnt –, dann wird wohl auch die Bilanz des Bundes nicht mehr ausgeglichen sein. Vor allem dann nicht, wenn die deutsche Wirtschaft turnusgemäß wieder einmal in einen Abschwung gerät.

Für solche Fälle sieht die Schuldenbremse eigentlich einen konjunkturellen Ausgleich vor: Floriert die Wirtschaft und sprudeln die Einnahmen, dann soll Geld angespart werden – damit der Staat in Flautephasen als Investor einspringen kann. So weit die (keynesianische) Theorie. Doch angespart wird zurzeit nichts. Obwohl schon ziemlich viel zusammenkommen müsste, damit es in Deutschland wirtschaftlich irgendwann noch einmal besser läuft als im Moment.

Trotz aller positiven Nachrichten ist Schäubles Haushalt also auf Kante genäht. Warum auch sonst würden bereits jetzt Kosten ausgelagert? Zum Beispiel hat der Bund Zuschüsse an den Gesundheitsfonds gekürzt und treibt damit die Kassenbeiträge nach oben. Auch die Rente mit 63 und die Mütterrente werden über die Sozialkassen finanziert. Weil für diese keine Schuldenbremse gilt.

Ein Mittel zur Erpressung der Bürger

Wenn sich die Politik schon selbst in Ketten legt – und damit auch definiert, welche Schwerpunkte künftige Generationen zu setzen haben – dann hätte sie ehrlicherweise eine Ausgabenbremse beschließen müssen. Die jetzt gültige Schuldenbremse aber kann sogar eine gegenteilige Wirkung entfalten: Indem sie dem Staat eine Begründung dafür liefert, das er die Bürger belasten kann. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat diesen Zusammenhang vor ein paar Tagen in einem Interview hergestellt. Da sprach er davon, es müsse „Konsens werden, dass die Schuldenbremse in Zukunft richtigerweise eine Finanzierung durch Kredite“ verbiete. Und fügte hinzu: „Auf dieser Grundlage kann man auch über Steuererhöhungen reden.“ Aus der Selbstbindung der Politik könnte am Ende also ein Mittel zur Bürger-Erpressung werden. Leichter als mit einem ansonsten drohenden Grundgesetzverstoß lassen sich Steuererhöhungen nun wirklich nicht begründen.

Dazu müsste die Schuldenbremse allerdings erst einmal eingehalten werden. Sicher ist das nicht. Kürzlich wurden einige hundert Landtagsabgeordnete danach befragt, ob sie damit rechnen. Auf die Frage: „Was wird passieren, wenn Bundesländer im Jahr 2020 die Vorgaben des Grundgesetzes nicht einhalten?“, antworteten 47 Prozent: „mit Verfassungsgerichtsurteilen, die einen Sparkurs erzwingen“. 50 Prozent sagten: „Nichts.“

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