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Einer von ihnen wird wohl Kanzlerkandidat der SPD - Parteichef Sigmar Gabriel (links), Finanzexperte Peer Steinbrück (Mitte) oder der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier (rechts).

© dpa

Schuldenkrise: Europa nicht auf Kosten Deutschlands retten

Macht die SPD-Troika gemeinsame Sache mit Frankreichs Präsident François Hollande? Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier müssen aufpassen, denn wer Deutschland schwächt, um Europa zu retten, kann nicht rechnen.

Die Krise treibt seltsame Blüten. Woran liegt es, dass den Mahnern und Warnern vor zu viel Sparsamkeit die Worte nicht im Halse stecken bleiben? Warum prustet keiner vor Lachen los, wenn Europas neuer starker Mann, der französische Präsident François Hollande, meint, nun sei aber genug gegeizt worden, es werde Zeit, durch Prassen das Wachstum anzukurbeln? Und wieso treibt es ausgerechnet die SPD-Troika in die Arme jener Kräfte in Europa und den USA, die das Heil der Weltwirtschaft in weiteren schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen und einer Vergemeinschaftung der neuen Schuldenberge zulasten deutscher Arbeitnehmer sehen? Not lehrt treten. Wie schon in der Schule ist an den Sitzenbleibern offenbar stets der Klassenprimus schuld.

Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland – um nur einige exponierte EU-Länder zu nennen – geben seit vielen, vielen Jahren mehr Geld aus, als sie einnehmen. Mit konstanter Regelmäßigkeit brachen sie die Neuverschuldungsrekorde. Abgesehen von Frankreich, wo die politisch Verantwortlichen ihre Köpfe bis heute in den Sand stecken, wurde der Trend in Italien, Spanien und Griechenland seit 2008 zwar geringfügig korrigiert. Doch weiterhin wird auch dort mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Strukturreformen, die den Namen verdienen, wurden nicht eingeleitet. Ob Steuerhinterziehung (Griechenland) oder Renteneintrittsalter (Frankreich): Man gönnt sich ja sonst kaum was.

Tagesspiegel-Meinungschef Male Lehming zu Merkels Euro-Strategie:

In dieser Situation aufs Sparen zu verzichten und noch mehr geliehenes, also unverdientes Geld in den maroden Kreislauf zu pumpen, erzeugt allenfalls Strohfeuereffekte. Die Droge lindert zwar die akuten Qualen des Junkies, sie erspart ihm aber jenen Aufprall in der Wirklichkeit, der allein die Einsicht fördert, dass Selbstheilung wichtiger ist als Fremdsteuerung. Nur wenn Griechen und Spanier als Kollektiv begreifen, dass sie nicht Opfer finsterer Mächte und geheimer Verschwörungen sind, sondern die Folgen üppiger Wohltaten frei gewählter Politiker ausbaden müssen, besteht Hoffnung.

Denn Europa und insbesondere die Euro-Länder leiden mitnichten unter einem Zuviel an Spar- und Grausamkeit. Man möchte eher meinen, die Tiefe der Krise sei noch gar nicht verstanden worden. Kein Wunder, dass Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Partei händeringend vor einer zu innigen Liaison mit Hollande warnt. Dessen Rezept, höhere Staatsausgaben durch drastische Steuererhöhungen bei stagnierend niedriger Wettbewerbsfähigkeit finanzieren zu wollen, kommt zwar den politischen Fantasien vieler deutscher Sozialdemokraten nahe, taugt aber allenfalls zur Verschlimmbesserung der Lage. Ohne die Agenda 2010 stünde Deutschland heute wesentlich labiler im Sturm.

Die Deutschen sind die „am meisten bewunderte Nation“ in Europa, sie arbeiten am härtesten und sind am wenigsten korrupt. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center in acht europäischen Ländern sowie den USA. Mit Ausnahme der Griechen lobt eine deutliche Mehrheit der Befragten die Bundeskanzlerin für ihr Krisenmanagement. In Deutschland erhält Angela Merkel stolze 80 Prozent Zustimmung. Im krassen Gegensatz zu dieser nüchternen Einschätzung der Dinge durchs Volk urteilen Medien und politische Klasse gnadenlos. Ob François Hollande oder Barack Obama, G 8 oder EU, „Economist“ oder „Libération“: Bei den internationalen Eliten steht Merkel am Pranger. Sollte da nicht auch Ablenkung vom eigenen Versagen eine wichtige Rolle spielen?

An diesem Mittwoch empfängt Hollande die SPD-Troika im Pariser Élysée- Palast. Das ist eine seltene Ehre für ausländische Oppositionspolitiker. Für Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank- Walter Steinmeier könnte es an diesem Tag zum Schwur kommen. Sollen sie mit Hollande gegen Merkels Spar- und Reformkurs zu Felde ziehen oder trotz aller politischen Sympathien und vorweggenommenen Wahlkampfmanöver Distanz zu ihm erkennen lassen? Das jedenfalls ist gewiss: Wer Deutschland schwächt, um Europa zu retten, kann nur Taktik, aber nicht rechnen.

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