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Schulreform: Bildungsbürger: Die erbitterte Gegner

Ursula Weidenfeld über die Angst von Eltern vor zu viel Konkurrenz für ihre Kinder

Für das eigene Kind nur das Beste. Nach diesem Leitsatz wünschen sich Eltern den schönsten Kindergarten, die beste Schule und die solideste Berufsausbildung für ihr Kind. Nach Lage der Dinge ist das für die Schulzeit das Gymnasium. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass bildungsbürgerliche Eltern schulpflichtiger Kinder die erbittertsten Gegner von Schulreformen und die wärmsten Fürsprecher für ein differenziertes Bildungssystem sind. Erstaunlich ist aber, dass sich diese Haltung über alle politischen Präferenzen hinweg findet. So formulieren in Hamburg und Berlin linksbürgerliche Eltern gemeinsam mit eingefleischten Konservativen den lautesten Protest gegen die Gemeinschaftsschule und zu wenig Plätze am Gymnasium. Wenn die Kinder das Abitur gemacht und die Schule verlassen haben, sieht die Sache schnell anders aus.

Dann lassen sich die ehemaligen Schülereltern gern einmal herab, die Gemeinschaftsschule zu loben und einen längeren gemeinsamen Unterricht für alle Kinder zu verlangen. Zum Wohl aller Kinder, wie sie dann betonen. Denn inzwischen zeigen viele Studien, dass ein möglichst langjähriger gemeinsamer Unterricht nicht schaden muss.

Selten klaffen das individuelle Verhalten und die allgemeine Erkenntnis zum Wohl der Gesellschaft so krass auseinander wie in der Haltung zur Schulausbildung. Der vermeintliche Widerspruch aber ist in Wahrheit nur die konsequente Fortsetzung der Grundhaltung, dem eigenen Kind Hürden aus dem Weg zu räumen, wo immer sich welche auftun. Denn wenn die eigenen Kinder das Gymnasium verlassen haben, kommt man schnell zu der Annahme, dass noch mehr Gymnasiasten möglicherweise die Berufsaussichten des eigenen Kindes schmälern. Deshalb tut man sich dann sehr leicht, den Weg zu höherer Bildung einzuebnen. Der Opportunismus der Eltern entpuppt sich als logische Verabredung zur Abschottung.

Dieses Verhalten wird umso vehementer praktiziert, je pessimistischer Eltern die Aussichten des eigenen Kindes beurteilen, den gesellschaftlichen Status, den Wohlstand und das berufliche Fortkommen in die nächste Generation hinüberzuretten. Wer fürchtet, dass es künftig weniger gut bezahlte Jobs gibt, sorgt bewusst oder unbewusst gern mit dafür, dass es für die ordentlichen Arbeitsplätze weniger geeignete Kandidaten gibt. Der Gesellschaft nutzt es nicht, wenn viele Kinder unter ihrem Potenzial lernen müssen. Aber dem eigenen Kind. Das ist der wahre Zynismus des verunsicherten Bildungsbürgertums.

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