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"So nicht Angie! Eure Krise - meine Schulden", steht auf einem Schaufenster in Berlin.

© dpa

Schwarz-Gelb will Schulden abbauen: Die Brandstifter schulen um zum Feuerwehrmann

Schwarz-Gelb will den Schuldenabbau zum Wahlkampfthema machen. Damit widerspricht die Koalition ihren eigenen Vorhaben und stellt sich blind gegenüber den realen Problemen. Und das alles auf Kosten nachfolgender Generationen.

Von Lutz Haverkamp

Knapp 70 Jahre Frieden in Europa haben dazu geführt, dass unermessliche Werte geschaffen wurden – Immobilien, Unternehmen, Geldvermögen. All das wird nun und in den kommenden Jahren vererbt. Eine Generation tritt ab, die nachfolgende profitiert von den Leistungen ihrer Mütter, Väter und Großeltern. 63 Jahre bundesrepublikanische Politik haben aber auch dazu geführt, dass der kommenden Generation ein Schuldenberg von zwei Billionen Euro vermacht wird. Das Erbe auszuschlagen ist zwar bei „unser Oma ihr klein Häuschen“ möglich, bei den Hinterlassenschaften der Politik funktioniert das nicht.

Die herrschende Altersklasse tut zu wenig, um Maximen wie Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit gerecht zu werden. Sie gibt zu viel Geld aus, sie verschiebt Verbindlichkeiten in die Zukunft, sie verschwendet Ressourcen, sie versündigt sich am Eigentum ihrer Nachkommen. Sie lebt auf Kosten anderer.

Die jetzt vom Bundesfinanzminister angekündigte Wende, schon im kommenden Jahr kaum noch Schulden machen zu wollen, ist zwar eine wichtige und richtige, aber erst einmal nur eine Absichtserklärung. Seine Vorgänger hatten Ähnliches vor – und sind gescheitert. Dass die Kanzlerin erklärt, nun dürfe nicht mehr Geld ausgegeben werden als eingenommen werde, zeigt, dass die Politik in den vergangenen Jahrzehnten gegen simpelste Erkenntnisse allzu mutwillig verstoßen hat.

Die Staatsschuldenkrise in Europa ist der bittere Beweis dafür, dass nachhaltiges Haushalten ein Wert an sich ist. An den Deutschen gehen die Unannehmlichkeiten dieser Krise zum Glück weitgehend vorbei. Denn eine brummende Konjunktur, rasant steigende Steuereinnahmen und eine Politik der Vernebelung verkleistern und überdecken die strategischen Defizite. Noch.

Die Brandstifter als Feuerwehrmänner.

Es gibt derzeit nur zwei große Projekte, mit denen die jetzige Generation für die kommende in Vorleistung tritt und Verantwortung übernimmt: Erstens die Umsetzung der Energiewende, zweitens Griechenland in Europa und der Euro-Zone halten. Für beides muss viel Geld in die Hand genommen werden, um Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, um Strukturen in der Gegenwart zu schaffen, die in Zukunft zum Wohlstand nachfolgender Generationen beitragen. Die Politik weiß das. Und stellt doch keine Wahrheit und Klarheit her, wie sie es umsetzen will, was es kostet, was es bringt.

Stattdessen verkämpft sie sich im Klein-Klein der Klientel- und Interessenpolitik, angefeuert vom beginnenden Wahlkampf. Die Debatte um das Betreuungsgeld ist ein guter Beleg dafür. Die Auseinandersetzungen um die Praxisgebühr und die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung ebenso. Die Halbierung der Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe vom Anfang der Legislaturperiode ist die Kronzeugin für die Misere. Der Koalitionsgipfel am 4. November und die angekündigte „Paketlösung“ für alle offenen Fragen in der zermürbten schwarz-gelben Regierung lässt Böses ahnen.

Angela Merkel hat 2005 bewiesen, dass man selbst mit dem Plan einer Mehrwertsteuererhöhung Wahlen gewinnen kann. Damals war das klar und wahr. Heute ist sie dazu nicht mehr in der Lage. Und ihr kleiner Koalitionspartner erst recht nicht. Jetzt soll der Schuldenabbau zum Wahlkampfthema werden. Die Brandstifter schulen also um zum Feuerwehrmann. Ob das gelingen wird, zeigt sich schon beim Koalitionsgipfel. Bisher sollten dort nur weitere Ausgaben beschlossen werden. Wasser marsch!

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