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Meinung: Schweiger in der Wüste

Die Debatte zum therapeutischen Klonen wird zur Groteske

Alexander S. Kekulé Vergangene Woche kamen sie plötzlich wieder aus ihren Schlupflöchern, die stillen Klonbefürworter. Nach Monaten des zähneknirschenden Schweigens forderten Wissenschaftler und Politiker eine Kurskorrektur beim therapeutischen Klonen: Ein wissenschaftlicher „Durchbruch“ hätte gezeigt, dass die Methode eines Tages Menschenleben retten und schwerste Krankheiten heilen, also wohl doch nicht des Teufels sein könne. Zumindest müsse man jetzt Nutzen und Risiken neu abwägen.

Damit war der schon ziemlich abgenutzte Ball wieder einmal im Feld der Klongegner, die mit den altbekannten Returns antworteten: Therapeutisches Klonen müsse um jeden Preis verboten bleiben, wetterte etwa der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche Deutschlands, weil die Methode auch für das „reproduktive Klonen“ missbraucht werden könne.

Anlass der öffentlichen Aufregung waren in der vergangenen Woche publizierte Forschungsergebnisse aus Südkorea. Die gleichermaßen genialen wie fleißigen Klonforscher Hwang und Moon haben ihre bereits vor einem Jahr veröffentlichte Technik des therapeutischen Klonens perfektioniert und damit gleich 11 embryonale Stammzell-Linien hergestellt. Einige davon stammen erstmalig aus Patienten mit Erbkrankheiten, welche durch die Methode eines fernen Tages heilbar werden könnten.

Die Ergebnisse sind wissenschaftlich beachtlich. An der seit Jahren bekannten ethischen Sachlage verändern sie jedoch nicht das Geringste: Embryonale Stammzellen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Jahrhundert die Medizin revolutionieren, weil sich daraus Ersatzgewebe züchten lässt, mit dem Volkskrankheiten wie Diabetes oder Parkinson geheilt werden könnten. Damit das Immunsystem des Patienten die eingepflanzten „Ersatzteile“ nicht abstößt, müssen die Stammzellen mittels „therapeutischem Klonen“ aus dessen eigenem Erbmaterial hergestellt werden. Dafür werden Zellkerne des Patienten, die aus einem kleinen Stück Haut gewonnen wurden, in entkernte Eizellen freiwilliger Spenderinnen eingesetzt. Ein Hormoncocktail wirft dann die Eizelle ohne Befruchtung per „Kickstart“ an: Sie entwickelt sich im Labor zu einer „Blastozyste“, einem stecknadelkopfgroßen Zellhaufen, aus dem die begehrten embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Folgt man der kirchlichen Argumentation, wonach das menschliche Leben ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zu schützen ist, wäre das therapeutische Klonen eigentlich unbedenklich, weil ja gar keine Samenzelle im Spiel ist. Andererseits haben Tierexperimente gezeigt, dass sich mit diesem „Dolly-Verfahren“ hergestellte Blastozysten zu lebensfähigen Tieren entwickeln können, wenn sie einer Leihmutter eingepflanzt werden. Dieses „reproduktive Klonen“, bei dem fast identische Kopien erwachsener Tiere entstehen, wird für den Menschen weltweit abgelehnt, auch in Korea ist es streng verboten.

Um die Gretchenfrage der Bioethik, ob die beim therapeutischen Klonen hergestellten Blastozysten Menschwürde haben, drücken sich Bundestag und Ethikkommission seit Jahren herum. Stattdessen reden sich selbst hochkarätige Forscher in der Ethikkommission damit heraus, dass die Wissenschaft ja noch lange nicht so weit wäre – und werden alle Jahre wieder durch neue Ergebnissen widerlegt.

Demnächst bekommen die fleißigen Koreaner auch noch Konkurrenz aus Kalifornien, wo gerade ein gigantisches Klonforschungsinstitut entsteht. Die deutsche Ablehnung ist nicht ethisch, sondern durch politische Konfliktvermeidung begründet. Sie wird die Entwicklung nicht aufhalten, im Gegenteil: Wer nicht forscht, hat auch bei der dringend nötigen Ethikdebatte zu den neuen Technologien nichts zu melden.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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