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Meinung: Sein Bauch hat Recht

Rot-Grün ist in einer schweren Krise – dennoch hat die SPD jetzt das Zeug zur Mehrheitspartei / Von Peter Glotz

Es erscheint abwegig, ist aber wahr: Das gerade zu Ende gegangene Jahr hat die Position der SPD im deutschen Parteiensystem eher gestärkt als geschwächt. Die SPD Gerhard Schröders ist trotz ihrer elitenvergrätzenden, die Wirtschaft verunsichernden und die Nachbarn erstaunenden Politik der letzten Monate - auf dem Weg zur strukturellen Mehrheitspartei in der Bundesrepublik.

Wieso? - Der erste Grund ist die Umarmung der PDS, in der diese Ostpartei langsam erstickt. Schröder tut mit der PDS das, was François Mitterrand in den 80er Jahren mit den französischen Kommunisten praktizierte: Er beteiligt sie ein wenig an der (Landes-) Macht und nimmt ihnen so die Chance zur sozialpopulistischen Agitation. Auf lange Frist fällt ihm auf diese Weise die Mehrheit in den neuen Bundesländern zu.

Zweitens schwächelt die FDP. Das ist keine Leistung Schröders, das besorgen die Liberalen höchstselbst. Ihre Führung sagt: Unser Problem heißt Jürgen Möllemann. Das ist natürlich eine alberne Vereinfachung. Wie dreist dieser Fallschirmjäger auch in die politische Kultur Deutschland hinein gesprungen sein mag - der Grund für die Schwäche der FDP ist die Schmälerung ihres Spektrums auf den Wirtschaftsliberalismus. Der große italienische Philosoph Benedetto Croce unterschied einst die Liberalen von einseitig wirtschaftsorientierten "Liberisten". Eine liberistische (statt liberale) FDP schwächt Schwarz-Gelb und stärkt die SPD.

Schröders dritter Trumpf ist die himmelschreiende Uneinigkeit in der CDU. Mitten in der schwersten Krise der rot-grünen Regierung erzählt Friedrich Merz, wie systematisch Angela Merkel ihn gemeuchelt habe. Gegen die SPD kann man sagen, was man will - aber man weiß: Ihr stärkster Mann heißt Schröder, und die zweit- und drittstärksten Genossen wollen und könnten ihn in absehbarer Zeit nicht stürzen. Alles spricht dafür, dass Roland Koch - sollte er in Hessen wieder die Landtagswahl gewinnen - der nächste Kanzlerkandidat der Union sein wird. Das aber ist eine erträgliche Nachricht für die SPD. Koch ist zwar hart und tüchtig, aber gegen ihn ist die linke Hälfte der Gesellschaft leicht zu mobilisieren.

Natürlich sind das alles keine Blankoschecks für den Kanzler und seine Partei. Noch ein paar Drohungen mit der Vermögenssteuer und noch ein paar flotte Sprüche über die Lufthoheit über Kinderbetten - und die kriegsentscheidenden Eliten machen dicht. Aber das hat Schröder längst gewittert. Sein Bauch ist empfindlich. Jetzt muss er die "inspired ad-hoccery", seine intelligente Kurzfristigkeit, in Strategie verwandeln.

Der Autor war SPD-Bundesgeschäftsführer, Wissenschaftssenator in Berlin und ist Professor für Medien und Kommunikation an der Universität St. Gallen.

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