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Meinung: Seine Welt

DER PAPST NIMMT ABSCHIED VON POLEN

Abschied von der Heimat. Wahrscheinlich zum letzten Mal hat Karol Wojtyla Polen besucht. Er hat seiner Nation geholfen, die sowjetische Herrschaft abzuschütteln. Er hat die Entwicklung zu einer offenen Gesellschaft mit Ermutigung, aber auch mit Skepsis und scharfer Kritik begleitet. Und er hat nun zum Ende seines Lebens seinen Landleuten noch einmal ins Gewissen geredet. Sein geistiges Vermächtnis kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt. Die katholische Kirche ist gespalten in einen größeren traditionalistischen und kleineren offenen Flügel. Durch den rohen Marktkapitalismus ist die Mehrheit der Bürger an den Rand der Gesellschaft geraten und weiß sich nicht zu helfen. Solche Brüche lassen sich durch die triumphalen Papstauftritte für einige Zeit überdecken. Aber was kommt danach? Zwar hat sich die Warschauer Kirchenführung durch das Drängen von Johannes Paul II. öffentlich auf einen Kurs nach Westen und in die Europäische Union festgelegt. Doch tief in ihrem Herzen misstrauen viele polnische Katholiken dem vermeintlich verderblichen Einfluss ihrer säkularen Nachbarn. Die polnische Frömmigkeit als religiöses Vorbild Europas, dieser Traum ist ausgeträumt. Polen als Vormauer Europas gegen die Russen und ihre Orthodoxie – auch diese pathetische Rolle ist seit Ende des Kalten Krieges überflüssig. Noch drückt die Autorität des Papstes seine Landsleute sanft in Richtung Westen. Die Alternative wäre der Rückfall in einen verbohrten Nationalismus. M.G.

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