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Serbien und die EU: Einzugsbedingungen

Serbien ist noch nicht so weit: Das Land darf nicht vorbehaltlos ins Europäische Haus geholt werden.

Von Caroline Fetscher

Auf der Landkarte Europas, die das „Haus der Europäischen Kommission – Unter den Linden“ in Berlin an seine Besucher verschenkt, sieht man große, graue Flecken. Sie markieren die Staaten, die der Union nicht angehören, und sie weisen zwei Typen auf. Die einen sind Millionäre, wie das Bankenland Schweiz oder der Ölstaat Norwegen, die anderen vergleichsweise Bettler. Zu ihnen gehört das Gros der Staaten, die durch die Zerfallskriege Jugoslawiens entstanden: Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina.

Für alle Länder der Region, unter Diplomaten gern „SEE“ („South East Europe“) genannt, leuchtet die Brüssler Union als Verheißung am Horizont: Sind wir erst mal dort, geht es uns gut! Dass die Leute in diesem Dort gerade große Sorgen haben, interessiert im balkanischen „SEE“ nur wenige. Sie wollen da hin. Allein Slowenien, schon in der jugoslawischen Föderation der reiche Bruder, ist bereits ins Europäische Haus eingezogen, Kroatien mit seinen touristischen Goldküsten und Inseln, hat den Fuß in der Tür. Serbien und Montenegro klopfen an.

Nach den Kriegen, getrieben vor allem von der Hybris serbischer Suprematie, war das Versprechen, Europas Tore zu öffnen ein Kernanreiz für den Frieden, und die Hoffnung mit dem Namen Europa hat vielerorts zu Reformen angespornt. Wenn nun allerdings Serbien auf seinen Einzug ins Haus Europa pocht, darf das Land keine explosiven Altlasten mitbringen.

Noch immer beharrt Belgrad darauf, die frühere Teilrepublik Kosovo, Schauplatz von Massakern serbischer Milizen, nicht in ihrer Eigenstaatlichkeit anzuerkennen; und noch schielen einige mit einem begehrlichen Auge auf die benachbarte „Republika Srpska“. Wo die Sorge um Arbeitslosigkeit und verrottete Industrieanlagen an erster Stelle stehen sollte, echauffieren sich serbische Stammtische über „unser Kosovo“, den Fetisch der Nationalisten. Doch „Unser Kosovo!“ sollte bedeuten: kein Einzug ins Brüssler Haus! Auch taugen Schulbücher, die blutige, ethnische Heldenmythen aufwärmen, kaum dazu, kluge Europäer auszubilden. Mit solchen Bücherkartons: kein Einzug.

Vom Zahnarzt über den Polizisten bis zum Uniprofessor sind in Serbien zudem viel zu häufig private „Entgelte“ fällig. Diese Praxis zählt nicht zur schützenswerten Folklore, sondern zum Ballast von gestern. Mit dem Koffer Korruption: kein Einzug.

Mobiliar, Kisten und Koffer gilt es mithin gut zu prüfen. Vor allem aber sollte Brüssel Serbien keinen Umzugslaster bereitstellen, ehe klarere EU-Perspektiven auch für Bosnien-Herzegowina etabliert wurden. Bosniens Muslime haben in den Zerfallskriegen am meisten gelitten. Bis heute werden Massengräber exhumiert und Tote identifiziert. Kein bosnischer Überlebender, kein Kosovo-Albaner würde verstehen – oder verzeihen –, wenn der Aggressor von gestern so rasch Privilegien bekommt, die man den Opfern vorenthält. Damit würden neue Ressentiments geschaffen, nicht der neue, europäische Geist, um den es geht.

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