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Sexuelle Identität: Pure Heuchelei

Sexueller Identität wird im Grundgesetz weiterhin kein Platz gewährt. Der Bundesrat hat am Freitag einen entsprechenden Vorschlag zur Änderung des Artikel 3 mehrheitlich abgelehnt. Dabei ignorieren die Gegner der Initiative die entscheidende Signalwirkung der längst überfälligen Ergänzung.

Der Bundesrat hat gegen die Initiative der Länder Bremen, Hamburg und Berlin gestimmt, das Merkmal "sexuelle Identität" in den Artikel 3 des Grundgesetzes aufzunehmen. Hauptargumente der Gegner sind, dass so ein Vorhaben lediglich Symbolcharakter habe und die aktuelle Gesetzeslage bereits ausreichend Schutz für Homosexuelle, Transsexuelle und Transgender (Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen).

Allerdings werden lediglich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Große Koalition vor drei Jahren - mit reichlich Nachdruck der EU - verabschiedete, Homosexuelle, Transsexuelle und Transgender explizit geschützt. Der Geltungsbereich des AGG ist jedoch nicht ausreichend, um von einem umfangreichen Schutz dieser gefährdeten Personengruppe zu sprechen. Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) setzt sogar noch eins drauf. Für ihn sei das Grundgesetz hinreichend formuliert. Welches bereits bestehende Diskriminierungsmerkmal beinhaltet denn bitte für ihn sexuelle Identität? Dass Homo- oder Transsexualität keine Frage des Glaubens oder der (politischen) Weltanschauung ist, dürfte klar sein. Beide Gruppen unter Geschlecht zu subsumieren, bedeutet wiederum zu vernachlässigen, dass Homo- und Transsexuelle eine andere Gefährdungslage haben als heterosexuelle Männer und Frauen. Homo- und Transsexuelle werden nämlich nicht wegen ihrer biologischen Geschlechtszugehörigkeit diskriminiert, sondern aufgrund ihrer Liebe zum gleichen Geschlecht oder wegen der Nichtanerkennung ihrer Geschlechtsidentität. Damit zwingt der Staat Transsexuelle indirekt zu einer vollständigen Geschlechtsumwandlung.

Hahns Kollege aus Hessen, Justizminister Bernd Busemann (CDU), argumentiert noch abstruser: "Die rechtliche Situation sei nicht das Problem, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen. Daher müsse einer Diskriminierung vielmehr durch praktische gesellschaftliche Aufklärung entgegengewirkt werden." Dabei scheint Busemann entfallen zu sein, dass der rechtliche Rahmen in diesem Fall eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz sein kann. Dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die zeitgleich mit der Verabschiedung des AGG eingerichtet wurde, bisher keinen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz gefährdeter Personengruppen geleistet hat, was eine ihrer Hauptaufgaben sein sollte, ist ihm sicher auch entfallen.

Am 1. Dezember tritt mit dem Lissabon-Vertrag die Europäische Grundrechtecharta in Kraft. Auch dort ist das Merkmal sexuelle Identität fester Bestandteil des Diskriminierungsverbotes. Es gibt also keinen Grund Schwulen, Lesben und Trans-Menschen in Deutschland das Recht auf ihre Menschenrechte weiterhin zu verwehren.

Nadine Lantzsch

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