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Die Bürger haben Angst vor der totalen Überwachung - und gehen sowie hier in Berlin dagegen auf die Straße.

© dpa

Sicherheit schaffen: Weniger staatliche Kontrolle, mehr sozialer Kontakt

Die Innenpolitik ist auf einem Irrweg: Sie versucht, mehr Sicherheit mit mehr Überwachung zu schaffen. Ein gefährlicher Irrtum. Sicherheit schafft man anders.

Über Jahre hinweg haben konservative und sozialdemokratische Innenminister die immer gleiche Politik im Bereich der Polizei und der inneren Sicherheit betrieben. Den Herausforderungen grenzübergreifender Kriminalität und globalisierter wie digitalisierter Lebenswelten begegnen sie mit massiven Überwachungsmaßnahmen, deren Effektivität mehr als fraglich ist.

Für viel Geld werden immer neue Vorratsdatenspeicherungen, Körperscanner, Videokameras, Drohnen und sogenannte „Gefährderdatenbanken“ angeschafft. Auf der anderen Seite werden Polizeistationen aufgelöst und zusammengelegt, Fortbildungsprogramme eingestellt und die Gelder für Streifenpolizisten und Sozialprävention gestrichen. Die Folgen dieser einseitigen Polizeipolitik sind verheerend. Immer weiter muss sich die Polizei aus dem Alltag des gesellschaftlichen Zusammenlebens zurückziehen und wird zur präventiv agierenden Eingriffstruppe.

Zudem wird langsam klar, dass die infolge des 11. Septembers 2001 sowie der Anschläge von London und Madrid ergriffenen Anti-Terrormaßnahmen einer nüchternen Analyse ihrer Effektivität nicht standhalten. Zwar wird von den Innenministern Deutschlands und der EU noch immer mantrahaft behauptet, dass es solcher massiven Grundrechtseingriffe bedarf, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.

Doch die Wahrheit ist, dass die Aufarbeitung vereitelter und begangener Anschläge zumeist eklatante Ermittlungsdefizite der Polizeibehörden ans Tageslicht fördert. Die flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen der Bevölkerung dienen den Innenministern regelmäßig als Feigenblatt, wenn Kriminalität und Terrorismus gesellschaftliche Angst erzeugen.

Das Schizophrene: Um massive Grundrechtseingriffe wie etwa die Vorratsdatenspeicherung zu rechtfertigen, heizen die Innenpolitiker diese Angst sogar noch an. Es wird so getan, als sei das Internet ein Hort der Kriminalität und ein vollends rechtsfreier Raum, was sich nur durch die Einführung der Vorratsdatenspeicherung ändern ließe. Dabei ist die Aufklärungsquote gerade im Bereich der Internetkriminalität mit 65 Prozent vergleichsweise hoch.

Dass es auch abseits der Generalüberwachung aller Menschen konkrete Ermittlungsanlässe gibt, scheint so manchem Innenpolitiker gar nicht mehr bewusst. Kein Wunder also, dass die vermeintliche Ausnahme der anlasslosen Datenspeicherung gegenüber Unverdächtigen zur Regel geworden ist.

Dabei bleibt die klassische Ermittlungstätigkeit gut ausgebildeter Polizeikräfte auf der Strecke. Gerade diese Arbeit wäre aber angesichts der Herausforderungen für Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung dringend nötig. Verdachtsmomente für kriminelles Verhalten aufzuspüren kann nicht von Computern und Datenanalysten übernommen werden. Menschen sind nicht berechenbar. Vielmehr muss darauf hingewirkt werden, dass das soziale Netz trotz Globalisierung und Digitalisierung nicht ausgedünnt wird und der direkte Kontakt zu den Menschen auch heute noch der Anknüpfungspunkt eines guten Polizeibeamten ist.

Doch je mehr Geld in Datenbanken und Überwachungstechnologie statt in eine gute Ausstattung von Polizei und Justiz vor Ort gesteckt wird, desto weiter kommen wir von diesem Grundsatz weg.

Die Innenpolitik der vergangenen zehn Jahre ist auf einem gefährlichen Irrweg, der schnellstens korrigiert werden muss. Auch wir Grünen haben gelernt: Wir brauchen den direkten Austausch mit der Polizei. Die Polizistinnen und Polizisten sind oft die Leidtragenden einer falschen Politik. Sie können Partner einer alternativen Sicherheitspolitik aus grüner Feder sein.

Der Autor ist innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und hat in diesem Jahr zum zweiten Mal den „Grünen Polizeikongress“ veranstaltet. Der nächste ist für Juni 2013 geplant.

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