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Meinung: Sicherheitspaket: Wir sind so frei

Die Frage nach dem richtigen Verhältnis von Sicherheit und Freiheit bei Anti-Terror-Gesetzen hat der Bundestag mit seiner Abstimmung über das Sicherheitspaket nicht beantwortet. Dafür ist die Debatte auf anderer Ebene zunächst entschieden: zugunsten der Freiheit.

Die Frage nach dem richtigen Verhältnis von Sicherheit und Freiheit bei Anti-Terror-Gesetzen hat der Bundestag mit seiner Abstimmung über das Sicherheitspaket nicht beantwortet. Dafür ist die Debatte auf anderer Ebene zunächst entschieden: zugunsten der Freiheit. Denn Bürger können im Verteidigen ihrer Freiheit gnadenlos sein.

Zum Thema Online Spezial: Innere Sicherheit Die tatsächliche Bedrohung durch islamistischen Terror in Deutschland ist ungeklärt. Die Politiker wiegeln auf, die zuständigen Beamten ab. In Afghanistan veränderte sich die Welt, in den USA das Leben arabischer Migranten. Doch hier war das mulmige Gefühl beim Fliegen schon zwei Tage nach dem 11. September verschwunden. Die letzten Atomkraftwerke, das ungeheuerlichste Risiko für Anschläge, gehen erst im Jahr 2021 vom Netz, ohne dass der Bundestag am Freitag noch viele Worte dazu verschwendet hätte. Harald Juhnke hat neben Osama bin Laden seinen Platz in der Presse, und während Weihnachten in New York noch unter dem Eindruck der Anschläge steht, steht es in Berlin höchstens unter dem Eindruck New Yorks. Der Staat kämpft mit Gesetzen gegen den Terror, der Bürger mit seinem Alltag. Fragt sich, wer mehr bewirken kann.

Wohl kaum der Staat. Gesetze werden als Waffe der Demokratie präsentiert, sind es jedoch oft nur im Parteienstreit. Das gilt auch für das Sicherheitspaket II. Der Verfassungsschutz wird künftig ohne jeden Verdacht gewaltige Datenmengen sammeln. Das Bundeskriminalamt verwandelt sich in eine Anti-Terror-Behörde, und Ausländer stehen unter einer Art Dauerbeobachtung.

Doch kein Erfolg im Terrorkampf wird je wieder so konkret auf ein neues Gesetz zurückzuführen sein wie jetzt die Auflösung des Kalifatsstaats, die vor allem symbolische Bedeutung besaß. Wer mit rechtsstaatlichen Mitteln Kriminalität - auch internationale - bekämpfen will, braucht dafür Geld, Menschen und kluge Strategien, aber keine neuen innerstaatlichen Ermächtigungen.

Von Osama bin Laden war seit Jahren bekannt, dass er die Türme des World Trade Center zerstören wollte. Hätte die US-Regierung an die Kraft einer - jetzt vollkommen überzogenen - Sicherheitsgesetzgebung geglaubt, sie wäre früher angegangen worden, auch unter einer liberaleren Clinton-Administration. Dass dort nun Hunderte Araber auf Verdacht eingesperrt und Tausende Muslime verhört werden, dass es vom Rechtsstaat abgekoppelte Tribunale geben soll - das ist vielleicht nachvollziehbar, aber es ist hilflose Reaktion, keine wirksame Prävention.

Politisch ist der Streit um die Sicherheit für Schily und die SPD glänzend gelaufen. Der Innenminister gilt in der Öffentlichkeit als der Sheriff mit dem Schrotgewehr, der lieber einmal zuviel schießt als einmal zu wenig. Bleibt die Welt bis zur Wahl vom Terror verschont, wird die Union mit dem Thema Sicherheit kein Prozentpünktchen gewinnen. Dabei hat Schily Kompromisse machen müssen. Das BKA darf nicht verdachtslos ermitteln und Schilys Ministerium nicht über Fingerabdrücke in Ausweisen bestimmen. Referenzdateien sind verboten, Verdachtsausweisungen oder entsprechende Einreiseverbote wird es nicht geben, alle wichtigen Maßnahmen sind befristet.

Der Rechtsstaat hat wieder an Boden gewonnen. Wenn nun mit einem vernünftigen Einwanderungsgesetz klar gemacht würde, dass Ausländer in Deutschland willkommen sind, und im Sicherheitspaket die Auskunftspflicht privater Dienstleister eingeschränkt würde, werden sich auch die Kritiker mit dem Entwurf abfinden. Nur glaube niemand, dass dies im Kampf gegen den Terror ein großer Schritt nach vorne war.

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