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Meinung: Sie haben keinen Scheck

Von Clemens Wergin

Europa ist, wenn alle sich streiten und am Ende zahlen die Deutschen. Das galt bisher fast immer. Und wenn man die Aussagen Gerhard Schröders richtig deutet, dann ist er auch diesmal bereit, die Streithähne Frankreich und Großbritannien mit einem deutschen Scheck zu versöhnen. Allein: Deutschland kann sich solche Friedensgelder nicht mehr leisten. Außerdem hat Tony Blair Recht, wenn er sagt, dass es bei den Finanzverhandlungen nicht nur darum gehen kann, wer wie viel Geld in die EUKasse überweist und wer wie viel daraus zurückerhält. Diesmal muss, gerade auch wegen der Krise der EU, die Frage gestellt werden: Welches Europa wollen wir eigentlich? Möchten wir weiter erhebliche Teile des Haushalts für die Strukturen der Vergangenheit ausgeben, sprich: zur Subventionierung des Agrarsektors? Oder muss nicht viel mehr Geld in die Zukunft investiert werden, in Forschung und Bildung zum Beispiel, um Europa fit für die Globalisierung zu machen?

Natürlich, auch die Briten werden Abstriche am Rabatt hinnehmen müssen. Aber Sinn eines höheren britischen Beitrags kann nicht sein, die EU-Subventionen für die Bauern in Frankreich zu sichern. Da mutet es schon etwas seltsam an, dass gerade Schröder und Chirac mit ihren stagnierenden Volkswirtschaften genau zu wissen glauben, was besser für Europa ist. Blair jedenfalls hat in Großbritannien bewiesen, dass er mehr von Wirtschaft versteht als seine beiden Kontrahenten. Jetzt rächt sich, dass Schröder Ende Oktober 2002, als der Agrarkompromiss geschlossen wurde, auf den engen Schulterschluss mit Chirac angewiesen war, um mit seinem Anti-Irakkriegskurs nicht isoliert dazustehen. Blair konnte damals nur einen kleinen Rettungsanker einbauen: die Formulierung, dass der Agrarkompromiss spätere Beschlüsse zu den EU-Finanzen nicht vorwegnehme. Das damalige Ergebnis ist also keineswegs so in Stein gemeißelt, wie Schröder vorgibt.

Das Gute am jetzigen Streit ist, dass Europa sich einmal ehrlich fragen muss, wo es eigentlich hin will und ob die EU unsere Steuergelder richtig einsetzt. Das Gefährliche ist, dass Deutschland möglicherweise wieder für den lieben Frieden zahlt. „Diese Politik ist an ihr Ende geraten“, hat Schröder nach dem Regierungswechsel 1998 gesagt. Zeit, ihn daran zu erinnern.

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