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Meinung: Sie lieben Macht und Leben Warum man mit den irakischen Aufrührern verhandeln kann

Der amerikanische Kommandierende im Irak, Ricardo S. Sanchez, hat die Mission seiner Soldaten so beschrieben: Moqtada al Sadr „zu töten oder gefangen zu nehmen“.

Der amerikanische Kommandierende im Irak, Ricardo S. Sanchez, hat die Mission seiner Soldaten so beschrieben: Moqtada al Sadr „zu töten oder gefangen zu nehmen“. Das mag als Drohung gegen den machtbewussten schiitischen Milizenführer gemeint sein. Sollten die Amerikaner aber tatsächlich vorhaben, al Sadr zu töten, riskieren sie weitere großflächige Unruhen im Irak.

Es spricht einiges dafür, dass der Konflikt mit al Sadrs Mehdi-Miliz gelöst werden kann, ohne dass es dazu kommt. Offenbar gibt es schon seit Tagen Verhandlungen zwischen der moderaten Schiitenführung um Ajatollah al Sistani und dem Emporkömmling al Sadr. Der hat seine Miliz inzwischen aus den von ihm kontrollierten Städten Nadschaf, Kufa und Kerbela zurückgezogen. Und trotz ihrer martialischen Rhetorik senden auch die Amerikaner Entspannungssignale aus: Ein Vertrauter von al Sadr wurde inzwischen in Bagdad wieder freigelassen.

Trotz dieser kleinen, positiven Schritte bleibt die Lage unübersichtlich. Jeden Tag werden weitere Ausländer entführt, zuletzt vier Italiener. Andere kommen frei, wie etwa Chinesen und Russen. Das alles macht nicht den Eindruck, als handele es sich um zentral gesteuerte Aktionen. Offenbar gibt es mehrere Gruppen, die wahllos Gefangene machen. Da mag sogar die eine oder andere traditionelle Kidnapper-Bande dabei sein, der es nur darum geht, Lösegeld zu erpressen.

Die meisten Aufständischen sind offenbar keine Selbstmordattentäter, die bereit wären, ihr Leben zu opfern. Das gilt auch für al Sadr. Mit anderen Worten: Man kann mit ihnen verhandeln. Und sie mit militärischer Gewalt abschrecken, wie der Rückzug der Al- Sadr-Miliz aus mehreren Städten beweist. Jetzt kommt es darauf an, dass die Amerikaner al Sadr nicht zum Märtyrer machen. Eine gezielte Tötung des Geistlichen würde nur einen Eindruck verstärken, der außerhalb Iraks die arabischen Medien beherrscht: Dass die US-Besetzung im Irak der israelischen Besetzung der Palästinensergebiete gleicht. Wenn sich diese Sicht bei einer Mehrheit der Iraker durchsetzt, wird es den Amerikanern nicht gelingen, das Land zu befrieden.

Der wichtigste Schlag gegen den Aufstand kam jedoch unerwartet aus Washington, von John Kerry. In einem Meinungsbeitrag für die „Washington Post“ skizzierte der Herausforderer von George W. Bush seine Irak- Politik: Auch mit einem Präsidenten Kerry wird es keinen voreiligen Rückzug geben. Selbst wenn es den Aufständischen also gelingen sollte, Bush aus dem Amt zu bomben, werden sie die US-Truppen nicht los.

Damit ist noch keines der drängenden Probleme gelöst, die die USA derzeit im Irak haben. Aber die langfristige Perspektive verändert sich: Die Präsidentschaftswahl im November, auf die der Aufstand ja auch zielt, wird das US-Engagement im Irak nicht beeinflussen. Iraker, die mit Amerika zusammenarbeiten wollen, müssen nun weniger Angst haben, am Ende ohne Schutz zurückzubleiben.

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