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Meinung: Sie passt uns nicht – und nicht zu uns

Europa ist christlich, die Türkei nicht

Es gehört zu den unausrottbaren Vorurteilen, dass Diplomatie mit Trickserei und geschickte Diplomatie mit erfolgreicher Trickserei zu tun haben. Die Verhandlungen mit der Türkei belegen das Gegenteil. Schon an ihrem Beginn stand eine Unaufrichtigkeit. Weil die Türkei im Kalten Krieg die Südflanke der Nato abdeckte, verschafften ihr die USA das Eintrittsbillett in die Europäische Gemeinschaft. Schließlich kam es der amerikanischen Weltmacht nicht auf kulturelle Homogenität und europäische Handlungsfähigkeit, sondern auf strategische Vorfeldsicherung an. Und da die Engländer immer nur eine Freihandelszone, aber kein einiges Europa wollten, kam ihnen der amerikanische Wunsch als Mittel zur Blockierung eines politischen Europas gerade recht.

Doch statt die Auseinandersetzung anzunehmen, verschanzen sich auch die Gegner hinter allen möglich Tricks. Einer davon ist das Zypern-Problem. Dass man dem geteilten Inselstaat, dessen griechische Südhälfte allein niemals der EU hätte beitreten dürfen, nun ein Veto-Recht in einer europäischen Grundsatzfrage einräumt, ist eine politische Bankrotterklärung. Statt die Argumente der amerikanischen, englischen und grünen Beitrittsbefürworter zu zerpflücken, verschanzt sich die kontinentaleuropäische, politische Elite hinter Zypern und der Hoffnung, dass am Ende schon eine der unvermeidlichen Volksabstimmungen über den Beitritt schiefgehen wird.

Nein, nicht das Zypernproblem oder Gefängnisse, die nicht dem deutschen Standard entsprechen, disqualifizieren Ankaras Beitrittswunsch, sondern eine mehr als 1000-jährige andere Geschichte, eine tiefe kulturelle Differenz und die oft polemisch geleugnete Tatsache, dass Europa eben doch ein Christenklub ist, also ein Kontinent mit gemeinsamen Wurzeln und gemeinsamen Wegen wie Irrwegen, die 85 Jahre kemalistische Modernisierung nicht ersetzen können. Es ist schon richtig, wenn der Historiker Heinrich August Winkler darauf hinweist, dass die Türkei zwar europäische Rechtsnormen übernommen hat, aber vom „Geist der Gesetze“ Europas weit entfernt ist.

Das mag Amerika nicht interessieren, in England minder wichtig sein und die Grünen in der Hoffnung bestärken, deutsche und europäische Identität gleichermaßen multikulturell auflösen zu können – vielen Europäern ist es der Kern des Problems.

Statt also Ängste zu schüren wie die, dass die Türkei jenseits der EU dem Islamismus anheimfällt, oder Schimären zu beschwören wie die von der Brücke in die arabische Welt, die in der Geschichte des Osmanischen Reiches keinen Halt findet, sollten die Europäer sich dazu bekennen, dass die Eroberung Konstantinopels mit ihren kulturellen Folgen nicht durch einen Federstrich ungeschehen zu machen ist. Ein solches Eingeständnis wäre ehrlicher als der Streit um ein paar türkische Häfen für die Schiffe eines Landes, dass man auf diese Weise zum Kutscher Europas befördert, obwohl es das eigene Erbe weder verwalten noch ordnen kann.

Eins aber steht heute schon fest: Wenn alle Tricks und Unaufrichtigkeiten am Ende den EU-Beitritt der Türkei nicht erzwingen können, werden die Beziehungen zu diesem wichtigen Partner Europas schlechter sein als jemals zuvor.

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