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Meinung: Sie verstehen zu handeln

Von Christoph von Marschall

Er galt nur als Notlösung nach dem Streit beim EUGipfel, als der kleinste gemeinsame Portugiese, auf den Europa sich einigen kann. Doch nun sind alle des Lobes voll über José Manuel Barroso, kein Wort der Kritik ist darüber zu hören, wie er Aufgaben verteilt und Interessen ausgeglichen hat. Kann Europa womöglich nur dann relativ geräuschlos funktionieren, wenn Persönlichkeiten aus Ländern die Fäden ziehen, wo das Kungeln – also auch das Konstruktive an diesem verpönten Vorgang – zur zweiten Natur geworden ist?

Ein Kommissionspräsident hat es weit schwerer als ein Regierungschef. Er kann sich sein Personal nicht aussuchen, 24 nationale Regierungen (außer dem Heimatland des Chefs) entsenden nach eigenem Gutdünken eine Person. Da hatte Barroso Glück, noch nie war eine Kommission so gewichtig besetzt: drei frühere Regierungschefs, fünf Ex-Außen- und drei Ex-Finanzminister. Daraus musste Barroso ein überzeugendes Team mit nachvollziehbarer Ressortverteilung formen. Wobei er wiederum nicht frei war. Er muss die Balance finden zwischen großen und kleinen Staaten, alten und neuen EU-Mitgliedern, Frauen und Männern, nationalem und gesamteuropäischem Interesse. Ach ja, und fachliche Vorkenntnisse dürfen bei Gelegenheit auch eine Rolle spielen. So wird Österreichs Ex-Außenministerin Ferrero-Waldner EU-Außenkommissarin, bekommt Danuta Hübner aus Polen als größtes Neumitglied die Regionalpolitik und Malta die Fischerei.

Barrosos Hauptanliegen: dem großsprecherischen Ehrgeiz mehrerer Gipfel, die EU bis 2010 zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Erde zu machen, endlich Taten folgen zu lassen, und seien sie noch so bescheiden. Klar ist nach seinen Personalentscheidungen: Er hält wenig von staatlicher Lenkung oder gar Protektionismus. Liberalisierung und Wettbewerb sollen Wachstumskräfte freisetzen. Da setzt er auf die Tradition von liberalen und Handelsnationen wie Irland (Binnenmarkt) und den Niederlanden (Wettbewerb). Der Brite Mandelson wird in der Welthandelsrunde weniger protektionistisch auftreten als ein Franzose. Den Deutschen Verheugen hat Barroso an seine Seite geholt. Entweder traut er auch uns den Glauben an den freien Markt zu – oder er will uns Mut machen, auf den rechten Weg zurückzukehren.

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