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Kinderarbeit in Indien: Heute leben mehr Menschen in Unfreiheit als je zuvor

© dpa

Sklaven im 21. Jahrhundert: Moderne Sklaven gibt es überall

Nach der Befreiung dreier Frauen in London reiben wir uns erneut verwundert die Augen: Sklaverei, in unseren Breiten? Tatsächlich gibt es heute mehr Unfreie auf der Welt als jemals in der Menschheitsgeschichte.

Sklaverei! In unseren Breiten! Wer glaubt denn so was? Kaum zu glauben, nicht wahr, was da aus London berichtet wird. Frauen, die über Jahrzehnte so gehalten werden, dass sie mit dem Begriff Sklaven bezeichnet werden. Ja, zum Journalismus – dem guten – gehört die Schule des Skeptizismus. Wir glauben nicht einfach, was man uns sagt. Insofern glauben wir auch nicht einfach, was Scotland Yard sagt.

Andererseits: Das ist jenes Scotland Yard, das als Institution des Rechts und der Wahrheit gilt. Und diese Institution sagt mittels eines Inspektors, dass sie ja schon vieles gesehen hätten, aber etwas in diesem Ausmaß hätten sie noch nie gehabt. Das ist der Satz, der zum Innehalten anregt. Er ist nicht zu verifizieren oder zu falsifizieren, noch nicht – er ist in jedem Fall aber zu problematisieren. Denn offenkundig gibt es, und davon zeugt nicht nur Scotland Yard, sondern zum Beispiel auch Terre des hommes, immer noch Sklaverei in diesen Zeiten.

Obwohl die meisten Mitteleuropäer das am liebsten im Reich der Geschichte und Geschichten ansiedeln, alte Griechen und so. Oder in fernen, fremden, in nach unseren Maßstäben unzivilisierten Ländern. Nein, so ist es nicht. Als Sklaverei bezeichnet man den Zustand, in dem Menschen als Eigentum anderer behandelt werden. Sklaverei ist auch eine Freiheitsberaubung und Nötigung von Menschen, die in der Gesellschaft, in der sie sich ereignet, keine gesetzliche Grundlage besitzt.

Mehr Sklaven auf der Welt als jemals zuvor

Heutzutage soll es mehr Sklaven auf der Welt geben als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Terre des hommes hat Zahlen, nach denen mehr als zwölf Millionen Menschen als Sklaven betrachtet werden müssen. Diese Zahlen sind von den Vereinten Nationen bestätigt. Etwa die Hälfte sind Kinder und Jugendliche, Opfer von Menschenhandel.

Die Dunkelziffer liegt noch viel höher. Denn wir sind in Parallelwelten zu Hause. Das Nebeneinander von Archaischem und Hypermodernem ist gang und gäbe, mit Gesellschaftsentwürfen, die wir längst überwunden glaubten und auch solchen, die wir als Utopie doch besser niemals Wirklichkeit werden lassen wollten. In Megametropolen mit zehn Millionen Menschen wie, umgekehrt, in der Einsamkeit der Fläche – es gibt da eine Korrelation des Schreckens. So werden wir dann logischerweise immer wieder aufgestört aus der vordergründigen Behaglichkeit unserer Bürgergesellschaft.

Wir sind zwar ausgespähter - aber unsere Abgründe sind dunkel wie je

Schlagwortartig, schlaglichtartig: Vom Österreicher Fritzl, den verscharrten Brandenburger Babys bis zu den Sklaven von London, das Grauen erreicht uns, wenn es einbricht durch Nähe und ein Gesicht. Und dann wirkt es unabänderlich absurd, dass wir doch immer wieder überrascht werden, trotz unseres allseits öffentlichen Lebens, durch Facebook und Instagram, durch Youtube und – gerade in Großbritannien – die Geheimdienste. Nie waren wir ausgespähter als heute, nie transparenter, aber unsere Abgründe sind dunkel wie je.

Die Dunkelziffer macht Angst. Artikel 4 unserer Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet Sklaverei. Viele Politiker und Menschenrechtsorganisationen bekämpfen die modernen Formen der Unfreiheit, bekämpfen Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Kinderarbeit und die Rekrutierung von Kindern als Soldaten. Sie bemühen sich um eine Anerkennung dieser Phänomene als Sklaverei. Darum: Ermittelt ist genug, die Aufgabe ist klar.

Sklaverei? Nicht mehr in diesen Zeiten! Und erst recht nicht in unseren Breiten.

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