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Meinung: Slobodan Milosevic: Moral mit Gewinn

Es ist so weit. Slobodan Milosevic kommt dorthin, wo er hingehört - vor das Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen in Den Haag.

Es ist so weit. Slobodan Milosevic kommt dorthin, wo er hingehört - vor das Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen in Den Haag. In den vergangenen Tagen hatten sich die Hinweise auf eine rasche Auslieferung des im Oktober verjagten und seit April in Belgrad inhaftierten Ex-Diktators Jugoslawiens verdichtet.

Diesmal war die internationale Gemeinschaft vorbereitet. Anders als bei der Revolution im vergangenen Herbst fegte die Entwicklung nicht über sie hinweg. Nein, dieser Coup war von langer Hand geplant. Aber war die dann doch überraschend schnelle Auslieferung des 59-Jährigen deshalb auch gut durchdacht? War dieser 28. Juni der optimale Zeitpunkt - weil zwei lukrative Geber-Konferenzen bevorstehen? Vor allem aber: Ist die gesellschaftliche Situation in Belgrad so stabil, dass die demokratischen Kräfte sich gegen die Parteigänger Milosevics, die noch viele entscheidende Schlüsselpositionen kontrollieren, behaupten können?

Juristisch wasserdicht war die Vorgehensweise aus der Heimatperspektive jedenfalls nicht. Noch am Mittag hatte das jugoslawische Verfassungsgericht eine Auslieferung per Dekret verworfen. Warum wartete die Regierung von Ministerpräsident Djindjic erst die ablehnende Entscheidung ab - um dann doch zu tun, was sie längst vorhatte?

Alles deutet auf einen Alleingang Djindjics hin, der vehement wie kein anderer seit Wochen versprach, den Ex-Diktator auszuliefern. Dessen Nachfolger, Präsident Kostunica, wäre nicht zum ersten Mal von seinem ehrgeizigen einstigen Wahlkampfberater vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Djindjic ist auf dem internationalen politischen Parkett gut positioniert und weiß wohl, dass er internationale Hilfe nur bei einer klaren Trennung vom alten Regime erwarten kann. Er hat seine Macht genutzt. Kostunica dagegen wollte den längeren, juristisch sicheren Weg gehen - mit Parlament und Justiz. Doch Djindjic verfolgte längst einen anderen Plan. Er argumentierte, dass internationales Recht das nationale Recht bricht: Jugoslawien ist Mitglied der Vereinten Nationen und muss deren Kriegsverbrechertribunal anerkennen.

Viel plausibler erscheint es, dass Djindjic mit der Auslieferung "lieber heute als morgen" innenpolitisch drei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte: Erstens hatte Kostunica zuletzt Neuwahlen ins Spiel gebracht, zweitens passten ihm Djindjics Pläne zur Privatisierung der Wirtschaft nicht ins Konzept, nicht zuletzt kam ihm die labile Situation in der Teilrepublik Montenegro ungelegen. Einmal mehr hat Djindjic seinen Präsidenten als Zauderer hingestellt, und die Hardliner in Montenegro, die Milosevics Auslieferung boykottierten, in die Schranken gewiesen. Sollten diese nun Montenegros Zusammenarbeit mit Serbien auf Bundesebene aufkündigen, würden sie Neuwahlen sicher verlieren.

Gedankt wird es Djindjic nun reichlich. Die Amerikaner haben keinen Anlass mehr, die Belgrad zugesagte Soforthilfe zurückzuhalten. Sie könnten jetzt seinen mutigen Schritt sogar mit weiteren Krediten belohnen. Washington hat den Kurs der Regierung Djindjic in Belgrad maßgeblich beeinflusst: Die USA wollten Milosevic. Nun haben sie ihn.

Das Geld der internationalen Gemeinschaft muss jetzt rasch fließen - und verantwortungsbewusst zugunsten der Menschen in Ex-Jugoslawien investiert werden. Wenn dann endlich die UN-Richter Milosevics Rolle in den zehn Jahren Krieg auf dem Balkan aufklären und ihn dafür zur Verantwortung ziehen: Dann erst sind der Diktator und sein Mythos in Serbien endgültig Vergangenheit.

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