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Meinung: „Sonst würde ich nicht …

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Von Robert Birnbaum

... kandidieren!“

Günther Nolting weiß, dass er keine Chance hat, doch er versucht sie jedenfalls zu nutzen. Dabei reicht schon eine kurze Rechenübung aus, um die Kandidatur des 55-jährigen Freidemokraten für das Amt des Wehrbeauftragten als ehrenvoll, aber aussichtslos erscheinen zu lassen. 294 Abgeordnete stellen CDU/CSU und FDP im Bundestag, die Kanzlermehrheit von 301 Stimmen aber ist für die Wahl erforderlich. Die kriegt er nicht, selbst wenn sein Gegenkandidat Reinhold Robbe von der SPD an diesem Donnerstag durchfallen würde. Das kann passieren, denn Robbe mögen manche Parteifreunde nicht. Aber einen Sozialdemokraten durchfallen zu lassen ist für einen Sozialdemokraten dann doch noch etwas anderes, als einen Freidemokraten zu wählen.

Dabei könnte sich unter fachlichen Aspekten besonders die SPD-Linke mit Nolting viel rascher einigen als mit Robbe. Der Liberale ist wie große Teile seiner Partei für die Abschaffung der Wehrpflicht – genauer: deren Aussetzung. Mit einer Freiwilligen- und Berufsarmee von 240 000 Mann, findet Nolting, wären die neuen Herausforderungen an Deutschlands Verteidigung besser zu erfüllen. Das Amt, das er anstrebt, wäre damit aus seiner Sicht nicht überflüssig. Denn unabhängig von der Wehrform bleibe die Bundeswehr ein Parlamentsheer – die Volksvertreter, nicht eine Regierung sollen das letzte Wort über Einsätze haben, und deshalb bliebe auch ein Volksvertreter die richtige Anlaufstelle für Beschwerden und Nöte der Soldaten.

Mit denen kennt sich Nolting ohnehin aus. Seit 15 Jahren im Bundestag, seit elf Jahren sicherheitspolitischer Sprecher der FDP, hat der lebensfrohe Ostwestfale immer Wert auf Bodenhaftung in der Truppe gelegt. Er ist gerne in Kasernen und spricht gerne mit Soldaten – und zwar nicht nur vom Leutnant aufwärts. Da mag noch die Erinnerung an seine eigene Bundeswehrzeit mitspielen. Der Grundwehrdienstler Nolting – heute unvorstellbar lange 18 Monate im Dienst des Vaterlands – hatte sich als Vertrauensmann bei den höheren Chargen nicht durchweg beliebt gemacht. Normalerweise schieden damals Wehrpflichtige als Obergefreite aus. Nolting blieb Gefreiter.

Gute Voraussetzungen also für den Posten des Jammeronkels der Olivgrünen oder, wie es vornehmer heißt, des Ombudsmanns der Bundeswehr. Der Job würde freilich den Ausstieg aus der aktiven Politik bedeuten; der Wehrbeauftragte agiert, egal wer ihn gewählt hat, anschließend im Auftrag des gesamten Bundestages und hat sich dezidiert politischer Aussagen zu enthalten. Aber Nolting hat ja sowieso praktisch keine Chance. Seine Kandidatur mag ihm trotzdem nutzen: wenn es im Falle eines Machtwechsels an die Verteilung anderer Posten geht.

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