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Sorgerecht: Was Mütter wollen müssen

Väter sind zum schwachen Geschlecht geworden. Das kann auch der Karlsruher Richterspruch nicht ändern, der nichtehelichen Vätern den Weg zum gemeinsamen Sorgerecht erleichtert. Wichtig ist er trotzdem. Ein Kommentar.

Jedes Kind weiß von klein auf, dass Mama und Papa verschieden sind, und will und braucht und liebt die feinen Unterschiede zwischen seinen Eltern. Die Erwachsenenwelt dagegen ist ziemlich verunsichert über die Normen und Leitbilder der Elternschaft. Mütter, ob Hausfrauen, berufstätig oder allein erziehend, sind im Trennungs- und Konfliktfall eben „die Mutter“ und bekommen meistens recht. Unsere Vorstellung davon, was mütterlich ist und Mutterschaft sein sollte, sind viel eindeutiger als die über Vaterschaft und väterliche Eigenschaften. Väter sind zum schwachen Geschlecht geworden.

Diesen Unterschied kann der Karlsruher Richterspruch nicht aufheben, der nichtehelichen Vätern den Weg zum gemeinsamen Sorgerecht erleichtert. Wichtig ist er trotzdem. Denn die nachdrückliche Lehre und Erfahrung der Frauenemanzipation gilt auch für Väter. Mehr Rechte, das heißt mehr Verantwortung, in diesem Fall für die Kinder. Nicht ohne Grund heißt der Gegenstand, über den die Richter zu urteilen hatten, Sorgerecht.

Über tradierte Vaterbilder und -funktionen sind erst die Katastrophen des letzten Jahrhunderts, dann die Frauenbewegung hinweggerollt. Der autoritäre Patriarch, der die Beschäftigung mit kleinen Kindern als unmännlich ablehnt und vorzugsweise für Bestrafungen zuständig ist, hat schon lange ausgedient. Selbst in den Teilen der zugewanderten Bevölkerung, die mit solchen Leitbildern aufgewachsen ist, steht der Patriarch unter erheblichem Druck. Auch ihm läuft die junge Frau samt Kindern womöglich weg. Durch den Siegeszug der Frauen hat auch der „Familienernährer“ seine Rolle verloren, die in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik trotz grundgesetzlicher Gleichberechtigung eine ausgesprochene Vormachtstellung war. Und nicht mehr exklusiv ist die Rolle des väterlichen „Beschützers“, der dem heranwachsenden Kind die Welt zeigt und mit ihm über seinen Weg in den Beruf spricht. Das können und machen Mütter auch, und viel zu oft machen sie es allein.

Eine „androgyne“ Elternschaft, in der die Eltern nicht nur gleichberechtigt, sondern gleich sind, hat sich trotz vieler „neuer“ Väter nicht eingestellt. Doch je diffuser unser Vaterbild geworden ist, desto schärfer hat sich auch gezeigt: Es sind „Väter“ und „väterliche“ Erziehungspersonen, die unseren Kindern in Familien, Kindereinrichtungen und Schulen fehlen. Vaterlosigkeit ist ein Entwicklungsnachteil, den gerade viele alleinerziehende Mütter schmerzlich empfinden, weil sie ihn trotz größter Anstrengung nicht aufheben können. Dass es mittlerweile viele Mütter gibt, die den Vater ihrer Kinder mit allen Mitteln in juristischen Schlachten überflüssig machen wollen, hat die Sache nur noch schlimmer gemacht.

Mag sein, dass kleine Mädchen und Jungen heute vielleicht besser als Männer und Frauen wissen, was einen Vater ausmacht. Vaterschaft, so viel muss den Erwachsenen klar sein, entwickelt und erweist sich ausschließlich im Verhältnis zu den Kindern, nicht aus ökonomischer, sozialer und rechtlicher Überlegenheit gegenüber der Frau. Die alten Vaterbilder sind zu Recht untergegangen.

Aber das schafft Platz für eine neue hoffnungsvolle Entwicklung. Sie zeigt sich in Klagen vor höchsten Gerichten, in Elterngeldanträgen, vor allem in vielen Familien: Männer wollen wirklich Väter sein, nicht Familienoberhäupter, Ernährer oder oberste Strafinstanz.

Der elementare Unterschied bleibt unaufhebbar. In allen Kulturen und Gesellschaften ist den Müttern die Kinderbetreuung als soziale Rolle zugeordnet. Mütterlichkeit ist Zuwendung, Fürsorge, Opferbereitschaft. Was und wer hingegen Vater ist, darüber gab es bis zur Erfindung des sicheren Vaterschaftstest nicht einmal die einfachsten Gewissheiten. Dafür aber starke kulturelle Leitbilder, die sich über die Zeiten stark gewandelt haben. Es ist auch eine Befreiung, wenn Männer nicht erst Patriarch, Ernährer, Familienvorstand werden müssen, um Väter zu sein. Wahr ist allerdings, dass Mütter das auch wollen müssen.

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