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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Sozialer Tag: Solidarität macht stark

Der Solidarpakt zerbröselt. Unser Kolumnist Helmut Schümann freut sich über eine Solidaraktion von 85000 Schülern, die die Solidarität mit Menschen, denen es schlechter geht als uns, hoch leben lassen.

Steuern zahlen ist natürlich blöd. Niemand zahlt gerne Steuern. Es ist mal wieder total typisch, dass wir, wie der Bund der Steuerzahler errechnet hat, ab Samstag, 6.14 Uhr, endlich in die eigene Tasche arbeiten können. Bis dahin haben wir nur für den Staat geackert. Aber wie hinterhältig und fies diese Steuer ist, zeigt schon, dass wir fürs eigene Wohl am Samstag, 6.14 Uhr, anfangen können. Wer arbeitet da schon? Die wenigsten. Die meisten können erst am Montag anfangen, an sich zu denken. Typisch Steuer, typisch Staat.

Andererseits: L’État c’est moi. Der Staat bin ich. Im Idealfall habe ich mit dem Geld bis zum 11. Juli, 6.14 Uhr, Straßen gebaut, Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, Bibliotheken, Seniorenheime, Schwimmbäder, ein grandioses Holocaust-Mahnmal und so weiter.

Ich habe für mich bezahlt, fürs Gemeinwesen, ich bin ein Gemeinwesen. Dass mit meinem Geld auch viel Schindluder getrieben wird, steht außer Frage, gehört an den Pranger, vor Gericht und gehört abgeschafft. Aber grundsätzlich liegt dem Steuergedanken doch ein wesentlicher Grundpfeiler unseres Zusammenlebens zugrunde: der Solidarpakt.

Der wird ja nun leider in Europa im Falle Griechenlands mit tatkräftiger und lautstarker Unterstützung der meisten Medien mehr und mehr zerbröselt. Dabei machen weder Milch noch Quark stark, Solidarität macht stark.

Am Donnerstag war in Deutschland der Soziale Tag. An dem blieben 740 Schulen zu, weil keine Schüler zum Unterricht kamen. Sie, nämlich 85 000, hatten an diesem Tag Besseres vor. Sie gingen arbeiten. Nicht für lau, sondern gegen Entlohnung. An der Kasse im Supermarkt, im Kindergarten, in Krankenhäusern, in Gärten, überall, wo sie für ihre Arbeit Lohn bekommen. Und dieses Geld, insgesamt wird mit einer Summe von 1,6 Millionen Euro gerechnet, spenden diese Schüler dann an Projekte für gleichaltrige Kinder und Jugendliche, denen es nicht so gut geht. Einer für alle, alle für einen. Ein bisschen erstaunlich ist es schon, dass die Kanzlerin, die doch kräftig am Solidarpakt mitbröselt, dieser Solidaritätskundgebung von Menschen für Menschen als Schirmherrin dient und selbst ein paar Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt hat. Man darf davon ausgehen, dass sie gut zahlt. Der Solidaritätsgedanke sollte wieder stärker in den Vordergrund rücken. Also, lieber unbekannter Berliner, der du gerade 34 Millionen Euro im Lotto gewonnen hast: Für deinen Akt der Solidarität kannst du gerne beim Tagesspiegel meine Kontonummer erfragen.

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