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Über 20 Millionen Deutsche sind schon auf Facebook aktiv.

© dpa

Soziales Netzwerk: Gebt Facebook den Friedensnobelpreis!

Das soziale Netzwerk knackt die 20-Millionen-Marke in Deutschland. Gut so. Facebook und seine Teilnehmer huldigen dem Individualismus; das lässt Regime erodieren, schüttelt Autoritäten, dezentralisiert Macht.

Deutsch sein heißt epidemisch sein. Nazis, Stasi, Atomkraftgegner, Schweinegrippe, Ehec, und jetzt ist auch diese Marke genommen. 20 Millionen Deutsche sind Mitglieder bei Facebook. Dabei wurden nur jene gezählt, die mindestens einmal pro Monat aktiv werden. Die Dunkelziffer der Facebook-Deutschen ist deutlich höher, wahrscheinlich nimmt bereits jeder zweite Deutsche am sozialen Netzwerk teil.

Irrsinn, Wahnsinn, wo bleibt das Gegengift? Es gibt keines, weil es keines braucht. Nazis, Stasi, Atomkraftgegner, Schweinegrippe- und Ehec-Erreger, das sind kollektive Organe und Organismen, die auf Ausschließlichkeit und Ausschluss setzen: Wer nicht für uns ist, der muss befallen, bekämpft werden.

Wem dieser Vergleich den Rand aus der Mütze treibt, für den ist folgender gedacht: Es gibt Wikileaks und es gibt Facebook, beide gehören zum Internet-Kosmos, sie sind zweieiige Zwillinge. Wikileaks-Guru Julian Assange kämpft für Offenheit und Transparenz, nichts anderes unternimmt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Fundamental unterscheiden sich beide darin, dass Assange wahre und eingebildete Feinde in Machtstrukturen und Institutionen decouvrieren will, während Zuckerberg die Welt voller potenzieller Freunde sieht.

„Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen“, so simpel ist der Lockruf, dem Monat für Monat eine weitere Million Deutsche folgen. Noch ist die Ursprungsidee nicht angekränkelt. Klar, immer wieder gibt es Probleme mit dem Datenschutz, kommen Befürchtungen auf, dass Daten missbraucht, kommerzialisiert werden, dass man das Opfer von den Zuckerbergs in Palo Alto wird.

Die Facebook-Nutzer produzieren auf allen Ebenen des Netzwerks so unendlich viel digitalen Müll, dass vernünftige Menschen, die noch bei vollem Bewusstsein sind, sich sofort abmelden müssten. Tun sie aber nicht, denn Facebook ist die vielleicht einfachste und effizienteste Form, wenn man sich als Person und Persönlichkeit mitteilen und ausdrücken möchte. Das Band dieser Spielart von Freundschaft ist Privatheit, die in einer selbstbestimmten Gemeinschaft öffentlich wird. Da wächst, mit jedem Klick, mit jedem Posting, das Vertrauen des einen in den anderen. Facebook, von seiner globalen Einwohnerzahl her der drittgrößte Staat dieser Welt, gehört zu den größten vertrauensbildenden Maßnahmen, die dieser Planet kennt. Der Mensch als Mensch erkennt sich im anderen Menschen wieder. Das ist ein ungeheurer Wert, das ist eine Macht. Facebook und seine Teilnehmer huldigen dem Individualismus; das lässt, wie in Nordafrika, Regime erodieren, schüttelt Autoritäten, dezentralisiert Macht.

Natürlich schießen Egoismus und Voyeurismus ein, wer glaubt, er könne tatsächlich mehrere hundert Freunde zum Freund haben, der überschätzt sich – und seine Freunde. Nebengeräusche, das. Mark Zuckerberg muss den Friedensnobelpreis 2012 bekommen. 20 Millionen Deutsche sollten diesen Vorschlag ex und hopp posten.

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