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Meinung: Spare in der Not

Eichel riskiert mit dem Haushalt unser Geld und sein Renommee

Es ist zwei Jahre her, da hat sich Hans Eichel zur Begründung seiner Politik eines antiquierten Satzes bedient: „Spare bei Zeiten, dann hast Du in der Not.“ Völlig zurrecht wurde der Finanzminister seinerzeit für diesen Kurs gelobt. Denn die Menschen haben ihm den tieferen Sinn des Maßhaltens geglaubt. Eichel warb für das Sparen in der Gegenwart und versprach den Wohlstand für die Zukunft.

Soll man dem Berliner Kassenwart nun noch glauben, dass er an seinen eigenen Maximen festhält? Eichel muss für 34,6 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen, um den Bundeshaushalt in diesem Jahr ins Lot zu bringen. Das ist weit mehr, als Deutschland etwa für seine Verteidigung ausgibt. Es ist auch zu viel, um den Minister mit einfachen Ausflüchten davonkommen zu lassen.

Er selbst zieht zur Begründung für den Schuldenanstieg die schlecht laufende Konjunktur heran. Das ganze Jahr über sei er davon ausgegangen, dass sich das lahmende Wirtschaftswachstum im Herbst in einen Aufschwung verwandeln und dann genügend Geld in seine Kassen spülen würde. Dass sich Eichel hinter den Foschungsinstituten versteckt, die eine ähnliche Entwicklung prophezeit haben, taugt jedoch nicht als Entschuldigung. Denn anders als Forschern obliegt einem Finanzminister die Verantwortung für den sorgfältigen Umgang mit den Steuern der Bürger. Der Irrtum der einen kostet nur deren Glaubwürdigkeit, der Irrtum des anderen unser aller Geld.

Signale zum Innehalten hat es bereits im Frühjahr gegeben. Wer sich an die Abwehrschlacht der Bundesregierung um den „Blauen Brief“ erinnert, muss fragen, warum der Finanzminister nicht bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Ausgabenbremse getreten ist. Die pessimistische Steuerschätzung im Mai und die Schlag auf Schlag folgenden Hiobsbotschaften der Unternehmen waren weitere Indizien dafür, dass Deutschland mit einem Boom im Winter nicht rechnen darf. Und niemand konnte hoffen, dass von Oktober bis Dezember hunderttausende Menschen urplötzlich einen neuen Job finden. Von Politikern im Wahlkampf zu erwarten, dass sie Etatlöcher eingestehen und Haushaltssperren verhängen, das ist sicher naiv. Doch Hans Eichel gibt auch jetzt, nach der Wahl, seinen Kurs nicht auf. Auch für 2003 plant er einen Haushalt ohne Netz für Risiken. Er hofft wieder auf Aufschwung und mehr Steuern, obwohl doch die Stimmung der Wirtschaft am Boden liegt. Er hofft auf das rapide Sinken der Arbeitslosigkeit, obwohl selbst die Arbeitsämter einen Erfolg des Hartz-Konzeptes erst im übernächsten Jahr für möglich halten. Eichel steht im Begriff, sein teuerstes Gut zu vergeuden: die Glaubwürdigkeit.

Antje Sirleschtow

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