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Meinung: Spaß ohne Witz

Stefan Raab ist unschuldig – sein Humor ist es nicht

Lange, bevor es die Spaßgesellschaft gab, meinte Groucho Marx, einer der größten Komiker des vergangenen Jahrhunderts, dass er niemals Mitglied in einem Club sein wolle, der Leute wie ihn aufnimmt. Zusammen mit seinen Brüdern Harpo und Chico drehte Groucho Marx in den dreißiger und vierziger Jahren eine Reihe von Filmen, die den Humor revolutionierten: Der Humor der Marx-Brothers war anarchistisch, brillant, manchmal völlig sinnfrei, und er ging immer auf Kosten der Bösen, der Mächtigen, auf Kosten derer eben, die niemand mag.

Stefan Raab, seit seinen Anfängen als Moderator beim Musikfernsehen „Viva“ ein Ehrenbürger der Spaßgesellschaft, amüsiert sich und seine Zuschauer vor allem auf Kosten von Menschen, die niemand kennt und die eher wenig Macht haben. Das Konzept seiner Sendung „TV Total“: Fernsehausschnitte mit Unbekannten zeigen, diese so oft wiederholen und sich darüber lustig machen, bis auch der Letzte lacht. Die Opfer lachen schon lange nicht mehr, einige verklagen den Moderator. Wo hört Spaß auf? Und vor allem, wann?

Das Kölner Amtsgericht konnte diese Frage am Mittwoch nicht beantworten. In einem Prozess, den Schauspieler Burkhard Gaffron angestrengt hatte, weil er sich durch Raab in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah, entschieden die Richter zu Gunsten des Beklagten. Gaffron hatte 2500 Euro Schmerzensgeld gefordert, weil Raab ihn zum „Deppen der Nation“ gemacht habe. Das wollte man ihm dann doch nicht zugestehen: Dies gelte nur in besonders schweren Fällen. Und die Filmsequenz, in der der Mime mürrisch auf die Fragen einer vermeintlichen Reporterin antwortet, gehöre nicht zu diesen. Also freie Fahrt für Raab?

Nein, denn Stefan Raab ist ein Relikt, einer der letzten Überlebenden der Spaßgesellschaft der Neunziger Jahre. Dass diese Zeit zu Ende ist, hat er nicht mitbekommen. Er arbeitet seit Jahren mit denselben Methoden. Ist es etwa lustig, wie eine Frau das Wort „Maschendrahtzaun“ ausspricht? Nein, natürlich nicht. Stefan Raab nutzt die Macht seiner Sendung, seiner Prominenz, um seine Witze gegen die zu richten, die sich nicht wehren können.

Wo die Marx-Brothers Menschlichkeit und Wärme in ihre Gags legten, um der Kaltherzigkeit ins Gesicht zu lachen, da führt Raab eine alte Dame vor, die aus Versehen eine Kaffeetasse umschmeißt. Das ist nicht lustig, das ist plump-gemein.

Die Redundanz, mit der Raab ausschließlich arbeitet, ist ein Stilmittel des Humors, das Weglassen aber genauso. Raab kann nichts weglassen, er meint, jede Vorlage verwandeln zu müssen. Selbstironie ist auch ein Stilmittel, aber vor allem eine Charaktereigenschaft – Raab hat sie nicht. Er ist immer noch Mitglied in einem Club, den es jedoch längst nicht mehr gibt.

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