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SPD: Hermetiker und Häretiker

Ypsilanti in Hessen, Annen in Hamburg: Für die SPD-Landesverbände ist der Schaden vorher absehbar - er wird aber trotzdem in Kauf genommen. Links? Rechts? Sektiererei, die abstößt.

In Hessen ein Rausch, in Hamburg Putsch und Intrige. Drei hessische Landtagsabgeordnete sollen aus der SPD ausgeschlossen werden, weil sie ihre Wähler nicht anlügen mochten, die vierte, Dagmar Metzger, die sich schon vor einem halben Jahr dem waghalsigen Kurs von Andrea Ypsilanti verweigert hat, gibt auf. Nach den gängigen Mustern gelten diese Vier als SPD-„Rechte“. In Hamburg hat es nun Niels Annen erwischt, den Ex-Juso-Chef, der nach diesen Mustern der SPD-Linken zugerechnet wird. Er wird, obwohl er ein ausgewiesener Außenpolitiker seiner Partei ist, wohl nicht wieder in den Bundestag zurückkehren.

Den Hessen-Vier schlägt, vor allem aus dem Bezirk Hessen-Süd, offene Feindseligkeit entgegen. Man sieht sich um die Macht betrogen, die allerdings nicht von den Wählern verliehen wurde, sondern nur durch nachträglichen Wortbruch möglich schien. Wer den nicht mitmachen wollte, muss in der hessischen SPD mit dem Verräter-Stigma rechnen. Eine Partei, die sich verrannt hat, braucht Sündenböcke.

Annen erweist sich als tapferer Verlierer; er gratuliert seinem Kontrahenten. Dass es eine demokratische Wahl gewesen sei, muss er sagen – wahr ist es nicht. In Hamburg-Eimsbüttel hat der siegreiche Kandidat erst Delegierte in Stellung gebracht und danach seine Kandidatur angemeldet. Eisige Stille unter den Delegierten nach dem 45-zu-44-Stimmen-Sieg – immerhin scheint es dort noch ein Gefühl dafür zu geben, dass Putsch qua Intrige nicht zu einer demokratischen Partei passt.

Hessen-Süd war im Spektrum der SPD schon immer etwas eigen, oft mehr auf linke Rechthaberei gerichtet als auf Wähler. In Hamburg wiederum sind die seltsamen Methoden von Johannes Kahrs, dem Sprecher des „rechten“ Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion, nicht unbekannt. Der 27-jährige Danial Ilkhanipour, der Annen verdrängt hat, war sein Mitarbeiter. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass Kahrs wieder einmal die Strippen gezogen hat.

Einen schrägen Landesverband oder einzelne Mitglieder, die, gelinde gesagt, etwas aus der Spur laufen, kennt jede Partei. Doch der Normalfall ist, dass ihnen aus ihren Parteien heraus Regulative entgegengesetzt werden. In Hamburg wie in Hessen aber haben weder der Gedanke an die Wählerbasis noch Interventionen aus der SPD-Führung Wirkung gezeigt. In beiden Fällen war der Schaden für die SPD vorher absehbar, er wurde trotzdem in Kauf genommen. Selbst eine verheerende Niederlage wie in Hessen hat keine Konsequenzen, die dem gesunden Menschenverstand, der Rationalität oder wenigstens dem Wunsch nach Selbsterhaltung folgen.

Opposition ist für die SPD tatsächlich Mist, wie ihr Vorsitzender Franz Müntefering einmal gesagt hat. Denn sie begünstigt Abschottungen, eine hermetische Atmosphäre, in der sich der Kampf um eine „bessere“ Politik ebenso verselbstständigen kann wie rüde Machtansprüche Einzelner. Das Erste ist in Hessen passiert, das andere in Hamburg. Links? Rechts? Sektiererei, die abstößt.

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