zum Hauptinhalt

Meinung: SPD mit Windrad

Die Grünen unterliegen den Sozialdemokraten, weil sie selbst welche sind

Ist es leicht, grün zu sein? Fritz Kuhn musste nach der nächtlichen Koalitionsrunde vor den Kameras behaupten, die grüne Niederlage sei gar keine Niederlage, sondern ein „Kompromiss“. Wenn die Grünen in die Verhandlungen gehen, um den Rentenbeitrag auf maximal 19,3 Prozent wachsen zu lassen, die Beitragsbemessungsgrenze stabil zu halten und die Rentenerhöhung zu verschieben, und dann herauskommen mit 19,5 Prozent, erhöhter Bemessungsgrenze und erhöhten Renten, so fragt sich der Laie natürlich, wo da der Kompromiss liegen soll. Kuhns Antwort ist höhere politische Mathematik: Die Grünen haben nämlich zum Ausgleich eine Kommission bekommen, die der Kanzler schon vor einer Woche ohnehin angekündigt hatte, sowie das Versprechen, dass es im nächsten Jahr eine richtig richtige Rentenreform geben soll. Nur, wer glaubt noch an Versprechen dieser Regierung? Nicht mal sie selbst.

Die Grünen haben also in der Nacht vom Montag auf den Dienstag eine schwere Niederlage erlitten. Nur warum? Hatten sie nicht einen großen Anteil am Wahlsieg? Haben sie nicht auf ein viertes Ministeramt verzichtet, um inhaltlich mehr durchsetzen zu können? Und jetzt blasen die Sozialdemokraten zum fröhlichen Fröschetreten!

Die Schuld an der Niederlage schreibt man intern den neuen Fraktionsvorsitzenden zu, die gar nicht erst eine Position hätten aufbauen dürfen, nach dem Motto: Wer nicht kämpft, kann auch nicht verlieren. Aber kaschiert das die grüne Schwäche nicht einfach nur? Die liegt darin, dass Grüne nicht mehr grün sind – außer in Sachen Ökologie. Die sozialdemokratische Unterströmung war bei ihnen schon immer stark. Was Jahrelang nicht besonders auffiel, weil es sich um einen verschärften Sozialdemokratismus handelte, also Linksradikalismus. Jetzt, da alles Radikale von den Grünen abgefallen ist, enthüllt sich ihr inniger Glaube an den Staat, daran, dass Sicherheit vor Freiheit geht. Es zeigt sich ihr Misstrauen gegen den Bürger, ihr Vertrauen auf Reglementierung.

Womit sonst ließe es sich erklären, dass die Grünen in den Koalitionsverhandlungen übersahen, wie eminent wichtig die Abzugsfähigkeit von Unternehmensspenden für die Bürgergesellschaft ist? Wie konnte es sein, dass sie dort gegen die für die Jungen ungerechten Rentenpläne nicht einmal das Wort erhoben? Wieso liegt es Fritz Kuhn so am Herzen, eine Neiddebatte zwischen wohlhabenderen und weniger wohlhabenden Eltern anzuzetteln? Warum hat Verdi-Chef Frank Bsirske auf den Parteichef weit mehr Einfluss als etwa Oswald Metzger? Warum setzen die Grünen bei der Kinderbetreuung nicht auf Wahlfreiheit, sondern ausschließlich auf Verstaatlichung des Erziehens? Weshalb trauen sie sich nicht, das Thema Kohlesubventionen auch nur anzufassen? Warum ist Joschka Fischer für Gesamtschulen?

Diejenigen, die für ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit stehen, sind aus der Politik ausgeschieden wie Cem Özdemir, Oswald Metzger oder Andrea Fischer; sie wurden an den (oberen) Rand gedrängt wie Rezzo Schlauch und Antje Vollmer; oder sie trauen sich kaum, eigene Akzente zu setzen wie die neue Fraktionschefin Göring-Eckardt oder der Staatssekretär Matthias Berninger. Stattdessen regieren Fritz Kuhn, der sich zum Sozialdemokraten mit Windrad wandelt und Joschka Fischer, dessen urgrünes Charisma darüber hinwegtäuscht, dass er in sozialen Fragen schlicht wie ein Genosse denkt.

Und wer selbst so sozialdemokratisch ist, wer also keine erkennbar andere Philosophie verfolgt als die SPD, der darf sich nicht wundern, wenn er beim Eintreiben der Gelder für den zugleich darbenden und ausufernden Sozialstaat nichts zu melden hat. Und wenn er des nachts in Berlin mitunter etwas verloren aussieht.

N 1 UND 4

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false