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Meinung: Staat als Stütze

In der Not muss geholfen werden – aber die größte Hilfe ist die Eigeninitiative

Von Simone von Stosch

In der Not wächst das Rettende auch. Der das schrieb, war Skeptiker genug, um den eigenen Worten höchstens halb zu glauben. In der Politik ist gesunde Skepsis Mangelware, und in Notzeiten wie denen des Hochwassers spielen gerade die, die sich selbst in Nöten wähnen, gerne die Rolle des Retters.

Die Flutkatastrophe trifft ein wirklich geschundenes Land. Die letzte große Krise kam für die Menschen im Osten Deutschlands nach dem Mauerfall: Nicht nur die Wirtschaft lag damals am Boden, ganze Lebenskonzepte waren zu Bruch gegangen. Damals trat einer in der Rolle des Retters auf: Helmut Kohl. Der Kanzler versprach blühende Landschaften, sagte gewichtige Sätze. Niemandem werde es nach der Einheit schlechter gehen als vorher, zum Beispiel. Das waren große Worte, zu groß, als dass die Politik sie einlösen konnte, wie sich bald herausstellte. Aber immerhin, Kohl gewann damit Wahlen.

Nun ist Kanzler Schröder seinem Vorgänger gefolgt, auch er kann der Versuchung nicht widerstehen, den Retter zu spielen und will dabei vielleicht auch die eigene Haut retten: „Nach der Flut soll niemand materiell schlechter gestellt sein als vor der Flut“, sagt er. Hier spricht einer, der Staat machen will. Er gibt damit ein großes Versprechen ab, an dem er sich künftig messen lassen muss. Auch wenn Schröder für den gesamten Wiederaufbau einen langen Zeitraum veranschlagt: eine ganze Generation.

9,8 Milliarden Euro soll allein das Sofortpaket zur Beseitigung der Flutschäden umfassen. Diese Summe ist beachtlich – angesichts der immensen Schäden und der vielfältigen Aufgaben bleibt es aber fraglich, ob das Geld reichen wird: Da ist der Wiederaufbau der öffentlichen Infrastruktur. Verkehrsminister Kurt Bodewig sagt dafür 2,2 Milliarden Euro zu, was angesichts der Schäden wohl eher knapp kalkuliert ist. Ebenso dringend sind Soforthilfen für Kleinunternehmer. Und auch die Privatbesitzer brauchen Hilfe. Die individuellen Schäden festzustellen wird Zeit brauchen, und es wird schwer, die Gelder wirklich gerecht zu verteilen. Darüber hinaus: Was ist mit den Menschen, die durch die Flut arbeitslos wurden, weil ihre Betriebe zerstört sind? Hier könnte die Bundesanstalt für Arbeit einspringen, aber auch sie müsste dafür eine zusätzliche Finanzspritze vom Bund erhalten.

Die Liste der Hilfsmaßnahmen ließe sich verlängern, und es ist, wie oft: Wo die rettende Hand winkt, da wachsen Begehrlichkeiten und Egoismen. So begrüßt Sachsen das Versprechen der Bundesregierung, nicht ohne zu erwähnen, dass allein dort sich der Schaden auf insgesamt 15 Milliarden Euro belaufe. Ministerpräsident Milbradt kritisiert den Verteilungsschlüssel: Sachsen habe 80 Prozent aller Schäden und müsse dementsprechend viel Geld aus dem Hilfstopf bekommen. Die Notgemeinschaft droht, sich am Streit ums Geld zu zerstreiten.

Es ist ja richtig, dass der Kanzler in der Notsituation allen Hilfe verspricht und den Menschen Mut macht; es ist auch richtig, dass er an den Gemeinsinn appelliert, wenn er von der nationalen Anstrengung redet. Falsch wäre, wenn Schröder den Eindruck erweckte, dass der Staat schon für alles sorgen werde, dass er die individuellen Schicksalsschläge nicht nur lindern, sondern beheben könne. Die Politik rettet eben nicht aus jeder Not. Das Versprechen, es solle niemandem nach der Flutkatastrophe schlechter gehen als zuvor, ist weder realistisch, noch hilfreich. Es weckt die Hoffnung, andere würden es schon richten, statt die Eigeninitiative zu fördern. Und auf die kommt es jetzt doch vor allem an.

Zu große Versprechen kehren ohnehin als Bumerang zurück. Das müsste der Kanzler wissen. Oder hat er seine Worte zur Senkung der Arbeitslosigkeit schon vergessen? Aber das war vor der Wahl – der letzten.

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