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Staatsschulden: Nur Kinder retten uns

Die zusätzlichen Staatsschulden wegen der Krise, so hören wir dieser Tage oft, würden noch künftige Generationen belasten. Von wegen belasten – erdrücken werden sie unsere Enkel. Ein schrumpfendes Deutschland stürzt in die Schuldenfalle.

Schon 2004 hatte der Präsident des Bundesrechnungshofs vorgerechnet, der Bund müsse 80 Jahre lang zehn Milliarden Euro jährlich zurückzahlen, um schuldenfrei zu werden. Wenn die Krise vorbei ist und der Schuldenberg noch höher, werden bei dieser Tilgungsrate hundert Jahre nötig sein. Hundert Jahre immerwährenden Aufschwungs, gepaart mit eiserner Finanzdisziplin.

Doch daraus wird nichts. Seit 2004 schrumpft das deutsche Volk, und es wird Jahr für Jahr schneller schrumpfen. Am Ende dieses Jahrhunderts wird Deutschland, wenn sich der demografische Trend fortsetzt, nur noch 46 Millionen Einwohner haben – unveränderte Zuwanderung vorausgesetzt.

Schrumpfendes Volk und wachsende Volkswirtschaft, das geht nicht zusammen. Nach der Krise wird ein neuer Aufschwung kommen, aber er dürfte einer der letzten sein. Bei beschleunigtem Bevölkerungsrückgang bedeutet der Konjunkturzyklus: Wechsel von Rezession und Stagnation. Auch eine staatliche Schuldenbremse wird da nicht helfen, denn sie erlaubt in Jahren der Rezession neue Schulden.

Bloß eines kann uns da noch retten: ein Stopp oder zumindest eine deutliche Minderung des Bevölkerungsrückgangs. Das geht nur auf zweierlei Weise: mit mehr Kindern oder mit noch mehr Zuwanderung. Und zwar Zuwanderung von Menschen, die zum Erhalt der Wirtschaftskraft des Landes beitragen können. Aber woher sollen diese Menschen kommen? Ganz Europa wird in diesem Jahrhundert schrumpfen. Weiter wachsen wird Indien. Und in Afrika sowie fast der gesamten islamischen Welt wird die Bevölkerung nach den Prognosen der Vereinten Nationen geradezu explodieren – und nach Europa drängen. Vermehrte Zuwanderung aus diesen Regionen aber könnte mehr Probleme schaffen als lösen.

Bleibt die Hoffnung auf mehr Kinder im eigenen Land. Einiges hat die Politik dafür ja schon versucht – ohne Erfolg. Vor allem in sogenannten bildungsnahen Schichten bleibt der Nachwuchs spärlich. Ein Umstand, der die einstige Familienministerin Renate Schmidt hat ausrufen lassen: „Unsere Bildungseliten sterben aus!“ Und das keineswegs, weil diese keine Kinder wollen. Viele Umfragen zeigen, dass der Wunsch nach Kindern ungebrochen ist. Aber seine Erfüllung wird immer weiter nach hinten geschoben; man will erst die Ausbildung beenden, dann will man beruflich Fuß fassen – und am Ende ist man zu alt, um Kinder zu bekommen, zumindest mehr als eines oder zwei.

Gute Familienpolitik – nein, man muss den Mut haben, wie die Franzosen Bevölkerungspolitik zu sagen – ermöglicht es jungen Menschen, Kinder dann zu bekommen, wenn sie diese wollen. Sie müssen anständig über die Runden kommen können, auch wenn sie noch in der Ausbildung sind oder in der unsicheren Phase des Berufseinstiegs. Dazu braucht es flexible Betreuungsangebote und eine angemessene materielle Unterstützung. Vorschläge dazu gibt es, aber sie einzuführen erfordert von den Politikern, sich aus eingefahrenen Denkbahnen zu lösen.

Die ganze Gesellschaft aber muss sich von Familienklischees lösen. Auf VW-Anzeigen der fünfziger Jahre lacht einem noch eine fünfköpfige Familie entgegen; das im letzten Jahr beschlossene familienpolitische Programm der CSU ziert die stereotype Zwei-Kind-Familie. Zwei Kinder als Standard, dazu viele – meist ungewollt – kinderlose Paare oder Singles, und wenige, die – oft unter schiefen Blicken der Umgebung – drei oder mehr Kinder haben: Das ergibt genau die 1,4 Kinder pro Frau, die wir nun schon seit Jahrzehnten verzeichnen – und die bedeuten, dass jede Generation um ein Drittel kleiner ist als die ihrer Eltern.

Der Autor ist Hauptstadtkorrespondent der Deutschen Welle und hat das Buch „Generation Abgrund“ geschrieben.

Peter Stützle

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