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Meinung: Stammzellen-Import: Stammzellen der Demokratie

Demokratie ist ein schmutziges Geschäft. Mit ihrer ordinären Mehrheitsregel zwingt sie auch da noch Kompromisse hervor, wo Unabstimmbares zur Abstimmung steht.

Demokratie ist ein schmutziges Geschäft. Mit ihrer ordinären Mehrheitsregel zwingt sie auch da noch Kompromisse hervor, wo Unabstimmbares zur Abstimmung steht. Am Mittwoch geht es um die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens, um die Freiheit der Wissenschaft und die Ethik des Heilens. Dennoch werden die Arme gehoben wie bei jeder x-beliebigen Verordnung, zum Beispiel über Müll. Es wird im Reichstag nach Schweiß riechen, aber nicht nach dem der Edlen, sondern nach dem der Interessen und der Intrigen; es wird heiß sein vor Eifer, und am Schluss wird - als ginge es um bloße Quantitäten - einfach ausgezählt: Sein, Nichtsein, Sein, Sein, hier noch eine Stimme für das Nichtsein.

Und dann der Antrag, der da aller Voraussicht nach obsiegen wird. Seht, wie der heuchelt: Nein - aber! Prinzipiell gegen den Verbrauch von Stammzellen - aber importiert werden sollen sie. Unter Auflagen, natürlich; wir sind doch in Preußen. Sechs Beschränkungen sehen die Antragsteller vor, sechs Feigenblätter für die deutsche Sonderseele: Lasst die anderen töten, wir Deutschen heilen uns doch nur, mit jener nadelspitzenkleinen embryonalen Hehlerware. Demokratie, ein schmutziges Geschäft.

Ist sie das?

Wenn nicht auch bei fundamentalen Fragen, wie der, wann das menschliche Leben beginnt, die Mehrheitsregel gelten würde, was gälte dann: das Bundesverfassungsgericht? Man mag sich das wünschen, die roten Roben als gute Philosophenkönige. Aber das können sie nicht sein. Sie können den Willen der Mehrheit nur moderieren und begrenzen, nicht brechen. Nein, in Wirklichkeit gibt es zum Abstimmen nur eine Alternative: moralischen Bürgerkrieg.

Und der Antrag von Andrea Fischer (Grüne), Margot von Renesse (SPD) und Maria Böhmer (CDU)? Sie wollen mit ihrer Verbotserlaubnis eines verhindern: Dass in Zukunft Embryonen getötet werden, in Deutschland oder auch nur im Ausland für eine deutsche Kundschaft. Ist das heuchlerisch? Vielen sind ihre Auflagen zu streng. Doch nehmen die den Wissenschaftlern nicht den Atem, sie nehmen sie nur beim Wort. Wenn es stimmt, dass an embryonalen Stammzellen nur geforscht werden soll, um adulte, ethisch unbedenkliche Zellen besser zu verstehen, dann braucht die Wissenschaft nicht mehr, als sie mit dem Nein-Aber-Antrag bekommt.

Die dramatischste Frage an den mutmaßlichen Mehrheitsantrag lautet sowieso nicht, ob die deutsche Forschung im Segment eines Segments eines Segements der Gentechnik vollkommene Chancengleichheit erhält. Sondern: Wird die Tür geöffnet zu einem neuen Verständnis werdenden Lebens? Das allerdings hängt nicht von der Abstimmung allein ab. Mit dieser eng begrenzten Importgenehmigung wird der Embryo nicht zur Ware und nicht zum Ding, jedenfalls noch nicht.

Peter Hintze, Christdemokrat und Befürworter verbrauchender Embryonenforschung, hat im Angesicht seiner absehbaren Abstimmungsniederlage gesagt, es gehe nun um die Alternative Mittelalter versus Zukunft. Erstaunlich, dass ein so altgedienter Demokrat aus Missionseifer vergisst, wie großartig Demokratie doch ist. Auch wenn man unterliegt.

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