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Erstmals ist es Forschern gelungen, menschliche Zellen in embryonale Stammzellen umzuwandeln. Wer am Dogma „menschliches Leben beginnt, wenn Ei und Samen miteinander verschmelzen“ festhält, sieht sich gezwungen, dem künstlich erzeugten Embryo die menschliche Würde abzusprechen.

© dpa

Stammzellenforschung: Die menschliche Würde eines Embryos

US-Forschern ist es erstmals gelungen, menschliche Zellen in embryonale Stammzellen umzuwandeln. Dadurch wird ein Leben auch ohne Empfängnis ermöglicht. Das bringt das Menschenbild ins Wanken und verändert das Verständnis von der menschlichen Würde solch eines Embryos.

War das schottische Klonschaf „Dolly“ ein Schaf? Natürlich war es das, wobei das Wort „natürlich“ an dieser Stelle etwas komisch klingt. Was aussieht wie ein Schaf, blökt wie ein Schaf und zusammengesetzt ist wie ein Schaf: Das ist ein Schaf. So hat denn auch am Schafsein „Dollys“ nie jemand gezweifelt, obwohl es anders entstanden war als alle Schafe vor ihm.

Im Unterschied zu Schafen definiert sich der Mensch auch über die Art seiner Entstehung. „Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen“, lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche. Empfängnis wiederum ist die Verschmelzung der Eizelle mit einer Samenzelle bei der Befruchtung. Ei und Samen sind aus diesem Blickwinkel sowohl konstitutiv für die Menschwerdung als auch für den Status etwa der heterosexuellen Ehe. „Der Mann verlässt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“, heißt es in der Bibel.

Im US-Bundesstaat Oregon haben nun Forscher aus einem Stück Haut einen Embryo hergestellt. Dafür wurde der Kern einer Hautzelle eines Menschen in eine entkernte Eizelle übertragen. Dieser Embryo ist potenziell ein Mensch, obwohl die Technik dafür noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte unausgereift sein dürfte.

Die Erschütterung indes, die dieses Experiment verursacht, hat ihren Grund auch in der Dekonstruktion des christlichen, insbesondere des katholischen Menschwerdungsbildes. Denn weder gab es in den Labors von Oregon eine Befruchtung noch eine Empfängnis. Der Samen des Mannes war überflüssig. Leben ohne Empfängnis: Das ist nach der ersten sexuellen Revolution (Empfängnisverhütung ermöglicht Sex ohne Kinder) und der zweiten sexuellen Revolution (Reproduktionsmedizin ermöglicht Kinder ohne Sex) die dritte Stufe des Auseinanderdriftens von Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung.

Damit gerät das Dogma „menschliches Leben beginnt, wenn Ei und Samen miteinander verschmelzen“ kräftig ins Wanken. Denn wer daran festhält, sieht sich gezwungen, dem in Oregon erzeugten Embryo die menschliche Würde abzusprechen. Dann aber könnte es eines Tages Menschen geben, die nicht als solche angesehen werden. Auch das Konzept der „Beseelung“, die während der Befruchtung des Eis mit dem Samen stattfinden soll, lässt sich nur verteidigen, wenn man in Kauf nimmt, dass es eines Tages Menschen ohne Seele geben könnte.

Die so genannten anthropologischen Grundbefindlichkeiten von Mann und Frau, ihre unterschiedliche Geschlechtlichkeit und ihr Aufeinanderangewiesensein, wenn es um Fortpflanzung geht, stehen radikal in Frage, wenn menschliches, personales Sein ohne Befruchtung und Empfängnis möglich ist. Definitorisch mag man das noch einfangen, indem man den Beginn des Lebens an die Befruchtung „oder dessen funktionale Entsprechung“ knüpft oder unter Embryonen auch Eizellen subsumiert, „denen ein Zellkern eingepflanzt wurde oder die anders zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt wurden“. Doch die moralphilosophischen Dilemmata bestehen weiter.

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