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Mit 64 Jahren den Rekord gebrochen: Die Amerikanerin Diana Nyad schwamm Anfang September die 110 Meilen lange Strecke zwischen Kuba und Florida ohne Haikäfig. Mit 28 Jahren hatte sie es zum ersten Mal probiert, damals war sie gescheitert.

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Starre Pensionsgrenze: Arbeiten, so lange man will

Unser Bild vom Altern ist nicht mehr zeitgemäß. Die Älteren sind immer länger leistungsfähig - und wollen sich auch weiter einbringen. Eine starre Pensionsgrenze kann auch diskriminierend sein.

Von Anna Sauerbrey

Als Anfang dieser Woche der Deutsch-Amerikaner Thomas Südhof den Medizin-Nobelpreis erhielt, wurde er gefragt, ob er, der seit den 80er Jahren an US-Universitäten arbeitet, zurück nach Deutschland kommen würde. Südhof antwortete, er sei wahrscheinlich zu alt dafür. „Ich möchte gern so lange weiterforschen, wie ich das kann. In den USA geht das.“

Ganz so starr, wie Südhof glaubt, wird die Pensionsgrenze für Professoren auch an deutschen Universitäten nicht mehr gehandhabt. Dennoch trifft der Nobelpreisträger im Kern die Sache. Das Renten- und Pensionsalter wird hierzulande als klare Grenze gesehen. Ob sie nun bei 65 oder bei 67 Jahren liegt – sie trennt die, die noch können, und die, die nicht mehr können. Die Alten und die Jungen. Es ist höchste Zeit, zu fragen, ob dieses Bild noch zeitgemäß ist.

Anfang September schwamm die Amerikanerin Diana Nyad von Kuba nach Florida. Nyad ist 64, es war ihr fünfter Anlauf, die 110 Meilen lange Strecke zu bewältigen. Was sie mit 28 Jahren zum ersten Mal versucht hatte, schaffte sie nun, im „Pensionsalter“. In dieser Woche nominierte Barack Obama Janet Yellen als neue Chefin der Notenbank. Yellen ist 67 Jahre alt. Der deutsche Finanzminister ist 71, der Kanzlerkandidat der SPD ist 66. Man mag beide nicht für gute Politiker halten, am Alter liegt das nicht.

Unser Bild vom Alter ist schief

Obwohl die fitten „Älteren“ überall sind, hält sich das negative Bild vom Altern. Das Älterwerden wird weiter vor allem als mentaler und physiologischer Degenerationsprozess verstanden. Sozialpolitiker beschwören die „alternde Gesellschaft“ als existenzielle Gefahr. Die zukünftige Gerontokratie Deutschland ist ein Land, in dem alles irgendwie verlangsamt ist, von der Rolltreppe bis zum Wirtschaftswachstum. Sie wird dominiert von den vermeintlich typischen Charakteristika der Senioren (Pessimismus, Vorsicht, Lethargie), folglich fehlen die vermeintlich typischen Charakteristika der Jüngeren (Optimismus, Risikofreude, Energie). Wie viel mit dem Alter auch gewonnen wird, an Erfahrung, an Wissen, eine Vielfalt an Perspektiven, wird meist nicht eingerechnet.

Die "alternde Gesellschaft" ist keineswegs zum Untergang verdammt

In den USA, dem Land mit dem empfindlichsten Sensor für Diskriminierungen aller Art, hat man bereits erkannt, dass diese Form des stereotypen Denkens zu systematischer Benachteiligung führen kann. „Ageism“ ist der Begriff dafür. Man muss aber gar nicht mit der Diskriminierungskeule kommen. Die Vielfältigkeit des Alterns anzuerkennen, könnte auch ein Kernthema des Liberalismus sein. Sie ist eine Frage der persönlichen Freiheit und der Gerechtigkeit.

Die derzeitige Debatte um die Rente mit 67, die noch einmal aufflackern dürfte, sollten sich Union und SPD zu Koalitionsverhandlungen durchringen, fördert das klassische Bild vom schutzbedürftigen Alten. Richtig ist: Längst nicht jeder Arbeitnehmer ist in der Lage, wie ein Professor bis ins hohe Alter zu arbeiten. Richtig ist auch, dass es für viele keinen Markt gibt. Zu erwarten ist aber, dass sich das im schrumpfenden Deutschland ändern wird. Oft sind es wohl auch eher die Vorbehalte gegen Ältere als ein tatsächlicher Mangel an Arbeitsplätzen. All das spricht für eine stärkere Individualisierung von beruflichen Altersgrenzen. Gerade die viel beschworene „Greisenrepublik“ muss auch ältere Menschen als Individuen betrachten – und kann es sich nicht leisten, auf sie zu verzichten.

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