zum Hauptinhalt

Start der Bundesliga: Familien und Frauen drängen in die Stadien

Heute startet die Bundesliga-Saison: Die Lust auf frischen Fußball ist ungebrochen, obwohl der Sport inzwischen Teil der Unterhaltungsindustrie geworden ist. Die Liga ist durchkommerzialisiert - doch den gemeinen Fan kümmert es wenig, denn die Fanstruktur hat sich gewandelt.

Früher war alles einfacher im Fußball. Da gab es auf den steinernen Stehplatztribünen noch eine Bratwurst, die nicht auf einer Maschine gebraten wurde; und unten wurde der Gegner mit deutschen Tugenden geröstet auf einem Rasen, der noch nicht künstlich gezüchtet war. Jetzt ist die Fußball-Bundesliga durchkommerzialisiert – wie alles, was früher gemeinhin als Sport bezeichnet wurde und inzwischen ein Segment der Unterhaltungsindustrie geworden ist. Ab heute, da der deutsche Klubfußball in seine neue Saison startet, läuft in den Arenen mit wechselnden Sponsorennamen wieder bei jedem Eckball ein Werbejingle, und das Bezahlfernsehen zerschnippelt den Spieltag in immer kleinere Einzelteile, die sich einzeln teurer verkaufen lassen als im Paket. Was verloren geht? Der Geschmack eines Bundesliga-Spieltags, bei dem überall gleichzeitig etwas passieren kann.

Schlimm ist das alles nicht, denn die deutschen Fußballfans haben schon ganz andere Sachen verdaut. Zum Beispiel gerade die Meisterschaft des VfL Wolfsburg – eines Retortenklubs aus einer Retortenstadt. Und sie tippen trotzdem alle wie wild auf den neuen Überraschungsmeister (der selbstverständlich bloß nicht FC Bayern München heißen soll, obwohl der doch die meisten Anhänger in Deutschland hat) und auf die erste Trainerentlassung der Saison (selbstverständlich nach der von Mainz, denn die fand kurioserweise schon vor dem ersten Anstoß statt). Die Lust auf frischen Fußball ist ungebrochen; und ob früher alles wirklich besser war, kümmert den gemeinen Fan höchstens bei der Analog-Bratwurst in der Halbzeitpause. Denn es ist ja so: Analog zum Fußball hat sich auch die Struktur der Zuschauer verändert. Nicht mehr nur Papa pilgert mit Sohnemann ins Stadion; Mama kommt gleich mit.

So erlebt die Fußball-Bundesliga schon vor dem Wiederanpfiff einen Boom in ungewöhnlichen Ausmaßen. Noch mehr Familien und Frauen drängen in die modernen, sicheren, durchgestylten WM-Stadien. Der Vorverkauf verspricht schon den nächsten Zuschauerrekord. Auch die Vereine lassen sich nicht lumpen, vor allem der Branchenführer aus Bayern nicht. Nahezu 180 Millionen Euro haben die Klubs bisher in Waden neuer Spieler investiert. Und aus den vereinseigenen Jugendakademien und der besser strukturierten Nachwuchsarbeit des Deutschen Fußball-Bundes drängen immer mehr junge deutsche Spieler in die ersten Mannschaften und damit auf die nationale Unterhaltungsbühne Bundesliga. Dem deutschen Fußball tut das nur gut – und dem Publikum macht es Lust auf mehr, vielleicht mal wieder auf einen internationalen Titel.

Als Marke funktioniert die Bundesliga, auch und gerade in der Krise. Natürlich kürzen viele Sponsoren aus Angst ihre Wohlfühlbudgets, und in der Börsenstadt Frankfurt am Main hat die ortsansässige Eintracht ihre Mühe, Logenplätze an gefühlt verarmte Bankmanager loszuschlagen. Aber ein Dribbling an der Insolvenzgrenze muss die Branche im Gegensatz zu verwandten Spielsportarten wie Hand- oder Basketball nicht fürchten. Der deutsche Fußball mit seinen lokalen Stars wie Lukas Podolski hat noch einen guten Werbewert – auch wenn sich Engländer und Italiener im Ausland besser zu vermarkten verstehen und selbst wenn in Madrid die neue Real- Mannschaft um den königlich teuren Cristiano Ronaldo alles überstrahlt. Für den deutschen Endverbraucher mit Fanschal, der im Stadion inzwischen einen Sitzplatz bevorzugt oder auf der Couch vor der zusammengeschrumpften Spieltags-Fernsehkonferenz hockt, zählt vor allen Dingen eines: dass es spannend und bezahlbar bleibt.

Beides kann die eher konservativ wirtschaftende und deshalb sportlich nicht allzu zerklüftete Bundesliga bisher noch zur Genüge bieten. Wer weiß schon, ob der nächste Meister wieder aus der Retorte kommt? Welcher der bisher 150 Neuzugänge sich zum nächsten Star emporspielt? Und ob Hertha BSC wirklich noch einmal sich selbst und Berlin überraschen kann? Vieles ist wieder möglich in der neuen, alten Bundesliga, auch wenn es inzwischen zeitversetzt passiert.

Vorhersehbar unvorhersehbar – so einfach soll Fußball schon noch sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false