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Meinung: Startschuss für höhere Steuern

Kompromiss offenbart die Fehler der Konsensmaschine

Wer gehofft hatte, dass es bei den Verhandlungen über das Steuerpaket ein deutliches Signal für künftige Reform-Verständigungsrunden geben würde, wird seit Mittwochnacht beten, dass es nicht so ist: dass mit der Einigung über das Steuervergünstigungsabbaugesetz keine Grundsatzentscheidung über die künftige Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesrat gefallen ist. Dass dieser Kompromiss nicht die Linie der Gespräche über Sozialreformen in den kommenden Wochen und Monate vorzeichnet.

Denn es ist kein guter und auch kein richtungweisender Kompromiss, den die Vermittlungsausschüssler mit den Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen an der Spitze verhandelt haben. Es ist ein Kompromiss, der die wesentlichen Probleme ein bisschen lindert, ein wenig vertagt, aber nicht löst. Ein Kompromiss, der die Haushaltsprobleme von Bund und Ländern kaum entschärft, und die der Kommunen gar nicht erst anpackt. Und: Es ist ein Kompromiss, der die Debatte um Steuererhöhungen in diesem Jahr nicht beendet, sondern einen neuen Startschuss dafür gibt.

Es war zwar richtig, das Regierungs-Steuerpaket zu kippen, das allenthalben Steuererhöhungen, aber kaum Ausgabenkürzungen vorsah. Auch die Erkenntnis, dass man im Abschwung besser keine breit angelegten Steuererhöhungen durchpaukt, sollte zum Allgemeingut auch bei den beiden Regierungsparteien werden. Es wäre auch in Ordnung gewesen, bei der Körperschaftsteuer Fehler der Steuerreform zu korrigieren.

Nur: Die komplizierte Regelung zur Körperschaftsteuer zeigt einen grundsätzlichen Webfehler des Kompromisses. Es werden keine Fehler im Grundsatz korrigiert, es wird zunächst einmal dafür gesorgt, dass die Unternehmen in den kommenden beiden Jahren Steuern zahlen müssen. Das ist Haushaltspolitik auf Sicht, aber keine finanzpolitische Weichenstellung. Und konjunkturpolitisch ist es auch nicht einleuchtend, dass die Unternehmen jetzt zahlen sollen, wo es ihnen nicht gut geht – um dann möglicherweise Rückforderungen geltend zu machen, wenn die Zeiten wieder besser werden.

Deutlich wird die kurze Halbwertzeit des Kompromisses auch bei der Entscheidung, sich beim Subventionsabbau zu vertagen. Dabei lag hier das Angebot der Wirtschaftsverbände auf dem Tisch, einer linearen Kürzung der Subventionen zuzustimmen. Dieses Angebot hätte es verdient, auf seine Wahrhaftigkeit überprüft zu werden. Doch hier haben die Politiker gekniffen – mit dem Ergebnis, dass bei der Frage, wo die öffentlichen Hände zu viel Geld ausgeben oder alte Strukturen fortschreiben, kein sichtbarer Anfang gemacht wurde.

Schon hat Finanzminister Eichel angedeutet, dass man angesichts der „dicken Probleme“ in diesem Jahr noch einmal über die Einnahmen der öffentlichen Haushalte reden müsse. Und das heißt, dass man dann wieder über Steuererhöhungen sprechen wird. Trotz der Ansage von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass die Steuerdebatte beendet sei, ist eine Mehrwertsteuererhöhung lange nicht vom Tisch.

Denn schon jetzt ist klar, dass das Geld nicht reichen wird. Hans Eichel fehlt Geld, weil er die konjunkturelle Entwicklung und die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu rosig eingeschätzt hat. Weil er bei der Gesundheitsreform künftig offenbar größere Lasten aus dem Etat bezahlen muss. Damit aber gerät sein Haushalt noch stärker aus den Fugen. Schon jetzt ist offenkundig, dass Deutschland auch in diesem Jahr mehr Kredite aufnehmen muss, als das der Euro-Stabilitätspakt erlaubt. Und: Seit gestern ist auch klar, dass die Bundesregierung enorme Probleme haben wird, der EU-Kommission glaubwürdig zu schildern, dass sie ihre Finanzen in Ordnung bringen wird.

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