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Steinbrück - nicht gerade der Wir-Typ.

© dpa

Steinbrück und sein Wahlkampf-Slogan: Das "Wir" will weniger Egoismus

Ein guter Slogan kann Wahlen entscheiden. Deshalb suchen die Parteien so verbissen danach. Die SPD entschied sich für "Das Wir entscheidet" - dabei ist Steinbrück selbst nicht wirklich der Wir-Typ.

Die einen reden altmodisch von „Slogan“, die anderen schnittig von „Claim“. Doch sie meinen das gleiche: Jenen Spruch, der in irgendeiner Ecke auf jedem Wahlplakat steht und die Frage des schwankenden Wählers beantwortet: Wofür stehen die eigentlich? Er soll die Botschaft der jeweiligen Partei auf den Punkt bringen: „Keine Alimente!“ Oder: „Sicher, sozial, selbstgefällig“. Oder: „Mehr Plutokratie wagen“.

Ein guter Slogan kann Wahlen entscheiden, deshalb suchen die Parteien so verbissen. Von der SPD ist zu vermelden, dass sie diesen Prozess erfolgreich abgeschlossen hat. „Das Wir entscheidet“ ist der Satz, den sie uns in den kommenden Monaten eintrichtern wird. Es hat schon ein wenig Spott gegeben deshalb, denn exakt mit diesen drei Worten wirbt seit Jahren auch eine Zeitarbeitsfirma für sich – und Zeitarbeit ist für einen ordentlichen Sozialdemokraten ja ungefähr wie Knoblauch für Vampire.

Aber Peer Steinbrück sieht über diese kleine Panne elegant hinweg, und zwar mit der eigenartigen Entgegnung „Hätte, hätte, Fahrradkette“, die gegenwärtig Blitzkarriere macht. Amazon bietet diesen Satz schon auf schwarzen Kapuzenpullovern an – kann da mal jemand Steinbrücks Kopf drauf... Ja? Heute-Show? Danke.

Wir waren beim Wir. In Steinbrücks Interpretation besagt der Satz „Es gibt eine breite Sehnsucht von Menschen, die sagen, ich will weniger Egoismus“. Beim jeweils anderen, versteht sich, aber das sagt Steinbrück nicht, weil sonst auffallen könnte, dass er selbst nicht so der Wir-Typ ist und den Schritt vom Ich zum Wir eher unter dem Druck der Verhältnisse vollzogen hat.

Überhaupt: Wir. Möchte man das? Von der SPD verwirt werden? Wir waren Papst, na gut, aber folgt daraus auch, dass es automatisch gut ist, wenn jeder die individuelle Entscheidung dem Wir übergibt, das dann irgendwelchen Mist damit macht? Liegen jene Bedenkenträger ganz falsch, die hinter diesem arglosen Wort das berüchtigte gesunde Volksempfinden heraushören, dem sich das einzelne Ich nur schwer widersetzen konnte?

Man weiß es ja nicht. Aber der Kollege Alan Posener hat in der „Welt“ ein Gedicht von Robert Gernhardt ausgegraben, das dem Thema ganz und gar angemessen ist. Es beginnt mit den Zeilen: „Das Schnabeltier, das Schnabeltier/vollzieht den Schritt vom Ich zum Wir“. Möglicherweise lässt sich damit ein schönes Wahlplakat machen. Oder doch wenigstens ein Kapuzenpullover.

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