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Steinkohlebergbau: Mit Anstand

Der Bergbau an der Saar steht vor dem Aus - ein ganz besonderes Kapitel geht zu Ende. Wenn denn der Bergbau ohnehin nur ein Zusatzgeschäft ist - ist es dann nicht jetzt ein Geschenk des Himmels, wenn früher Schluss ist?

Sie waren einmal die Helden der Republik: die Kohlekumpel. Ihre verschmierten Gesichter standen für den Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg. Sie schafften den Rohstoff ans Licht, mit dem die Bundesrepublik ihren Aufstieg anfeuerte. Das ist lange vorbei. Nicht erst seit dem Kohlekompromiss aus dem vergangenen Jahr, der ein Ende des deutschen Steinkohlebergbaus für 2018 festschreibt. Einige Standorte sollten früher geschlossen werden, aber eben noch nicht sofort. Und das Bergwerk Ensdorf ist noch das effektivste von allen.

Für viele ist der Bergmann heute aber nur noch ein lästiger Subventionenfresser, schließlich ist die deutsche Kohle schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig zu produzieren. Nun scheint die angekratzte Natur das Aus spektakulär zu beschleunigen.

Große historische Bilder werden wach. An die Grubenunglücke, bei denen ganz Deutschland mit den Familien gezittert hat. An die Stahlkrise, die das Saarland heftig getroffen hat. Von den Folgen hat es sich bis heute nicht erholt. Man sollte meinen, diese Erschütterung und die Energiediskussionen der vergangenen Jahre hätten längst zu einem fundamentalen Strukturwandel geführt. Einiges hat sich auch geändert, doch den Eindruck eines prosperierenden Fleckens macht das kleine Land an der Grenze zu Frankreich nicht unbedingt.

Wenn denn der Bergbau ohnehin nur ein Zusatzgeschäft ist – ist es dann nicht jetzt ein Geschenk des Himmels, wenn früher Schluss ist? Sollten nicht alle froh sein, dass das Beben eine Last nimmt?

So einfach geht die Rechnung nicht auf. Denn die Subventionen sind nur zu einem Teil für die Bergarbeiter vorgesehen. Da geht es auch um horrende Stilllegungskosten. Die fallen so oder so an, die lassen sich nicht einsparen. Nun sind sie eventuell früher fällig. Das könnte dann auch die neue sogenannte weiße RAG, die heute Evonik heißt, rund um ihre Börsenpläne eine Stange Geld kosten.

Bisher hatten alle argumentiert, ein sozial verträglicher Ausstieg im Saarland sei erst ab 2014 möglich. Auf diesem Datum werden die Gewerkschaften bestehen. Das ist ihr gutes Recht, das steht im Kohlekompromiss so drin. Das aber kann nicht heißen, dass fröhlich weiter abgebaut wird und den Menschen oben vielleicht bald ihr Dach auf den Kopf fällt – auch wenn die Kumpel unten in ihrem stählernen Tunnel glücklicherweise wohl nicht begraben würden, wenn die Erde oben bebt. Jetzt heißt es also, einen Plan zu machen. Das wird kosten. Es wird alle kosten. Nur lässt sich Strukturwandel nicht mal eben verordnen, auch nicht, wenn man Millionen Euro vom Himmel regnen lassen würde. Zum sozial verträglichen Aus gehören auch Arbeitsplätze. Da mag die derzeit relativ gute Konjunktur helfen. Aber wenn die Übernahme anderswo so gar kein Problem wäre, wäre die Irritation jetzt nicht so groß.

Bisher hatten genügend Menschen Interesse daran, dass es noch Bergleute gibt. Viele an der Saar sind erst 30 bis 40. Trotz ihres Knochenjobs: Sie haben viele Jahre bis zur Rente. Viele von ihnen (auch Verantwortliche) hatten wohl auf den Vorruhestand gesetzt – da ist jetzt Kreativität gefordert. Denn dieses Kapitel sollte die Republik mit Anstand beenden.

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