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Stop. Die Schweiz arbeitet an einem neuen Image. Sie will nicht mehr die Fluchtburg für Steuerhinterziehergeld sein.

© picture alliance / dpa

Steuerhinterziehung in der Schweiz: Der Internet-Pranger geht zu weit

Die Schweiz stellt die Namen möglicher Steuerhinterzieher ins Netz. Bei aller Liebe, das ist ein Skandal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Die Reichen sind schon immer gern in die Schweiz gefahren. Zum Skilaufen oder ins Sommerferienhaus an den Genfer See – mit einem dezenten Abstecher zum Bankberater nach Zürich oder einem diskreten Besuch beim Schließfach. So konnte man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

Denn nützlich war ein Trip zur Bank aus Sicht der Steuerhinterzieher und Schwarzgeldverstecker allemal. Immerhin konnten sich wohlhabende Bürger aus aller Welt jahrzehntelang darauf verlassen, dass sie ihr Geld in der Schweiz verstecken konnten, diskret und effektiv.

Auch deutsche Gutverdiener haben von dieser Möglichkeit gern und reichlich Gebrauch gemacht. Ob Ex-Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß oder Alice Schwarzer, Deutschlands bekannteste Feministin – die Reihe der Prominenten, die in der Schweiz ein hübsches Sümmchen ohne Wissen des deutschen Fiskus gebunkert haben, ist lang. Zu Spitzenzeiten, so schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft, dürften 160 Milliarden Euro auf Konten in Zürich, Basel oder Bern gelegen haben – Kapital, von dem die deutschen Finanzämter nichts wissen durften.

Doch manch einen, der sich in der Schweiz sicher gefühlt hat, packt jetzt die Reue. Denn mit der Diskretion ist es doch nicht so weit her wie gedacht. Das müssen in diesen Tagen zahlreiche Bürger erfahren, die Konten und Geld in der Schweiz haben oder hatten. Die Namen von mehr als 160 von ihnen stehen im Internet, jeder kann sie dort finden. Dahinter stecken nicht etwa Hacker, sondern die Eidgenössische Steuerverwaltung.

Die ungewöhnliche Transparenz im Netz ist für sie ein ganz normaler rechtsstaatlicher Vorgang und soll angeblich im Interesse der Geouteten liegen. Diese sollen vor der Weitergabe ihrer Kontodaten an Steuerfahnder anderer Länder gewarnt werden – mangels zustellfähiger Adressen notfalls übers Netz. Seit Jahren geht das schon so. Nur fiel das nicht auf.

Kein Mitleid mit Hinterziehern und Betrügern

Mit Steuerhinterziehern, Betrügern oder Kriminellen, die Geld verstecken, muss man nun wahrlich kein Mitleid haben. Daher ist alles, was dazu beiträgt, das Steuerschlupfloch Schweiz zu schließen, richtig. Das gilt etwa für den Ankauf von Steuer-CDs mit Namen von verdächtigen Kunden. Diese haben Ermittlungen der Behörden und eine wahre Flut von Selbstanzeigen ausgelöst. Sinnvoll ist auch ein Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der Schweiz und Deutschlands über Konten deutscher Staatsbürger dort. Und auch der internationale Druck auf die Schweiz, vor allem aus den USA, zeigt Wirkung. Viele Schweizer Banken verlangen von ihren Kunden, sich steuerehrlich zu machen – oder kündigen ihnen die Bankfreundschaft.

Namen von Verdächtigen im Internet zu veröffentlichen, passt dazu aber nicht. Was in der Schweiz rechtens sein mag, lässt sich mit deutschem Recht nicht vereinbaren. Immerhin sind die dort Genannten nur verdächtig, nicht überführt. Und auch wenn der Anschein gegen sie sprechen mag, gelten sie erst einmal als unschuldig. Doch wer mit Namen und Geburtsdatum als möglicher Steuerhinterzieher im Internet auftaucht, steht am Pranger und hat seine Unschuld verloren. Die Schweiz will sich reinwaschen, sucht nach einem neuen Image. Mit dem Internet-Pranger aber schießt sie über das Ziel hinaus.

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