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Angela Merkel.

© AFP

Steuern in Deutschland: Die Solidarität hört niemals auf

Wer den Soli abschaffen will, der verspricht eine Senkung von Einkommen- und Körperschaftsteuern. Das möchte aber angesichts der Aufgaben des Staates fast niemand.

Von Antje Sirleschtov

Mit der Wiedervereinigung verhält es sich ein bisschen wie mit der Flut. Solange im Fernsehen traurige Bilder von verfallenen Häusern zu sehen sind, öffnen die Menschen ihre Herzen und sind freigebig zur Solidarität bereit. Kaum sind die Bilder verschwunden, lässt auch die Spendenbereitschaft nach. Man muss das einfach akzeptieren, um zu verstehen, warum die Deutschen, und zwar im Westen wie im Osten, viele Jahre ohne zu murren jeden Monat hingenommen haben, dass der Staat ihnen ein paar Prozente mehr vom Lohn abgezogen hat. Und warum heute an jeder Straßenecke jemand zu treffen ist, der findet, 24 Jahre nach dem Fall der Mauer sei es aber mal gut mit dem Solidaritätszuschlag. Schließlich sei Weimar ja wieder aufgebaut, und die Ossis bräuchten nun keine Solidarität mehr. Also, soll endlich Schluss sein mit dem „Soli“, wie es die FDP verlangt?

Um der Sache näherzukommen, lohnt ein Blick ins Geschichtsbuch. Als sich die Deutschen im Oktober 1990 freudetrunken in den Armen lagen, wollten Helmut Kohl & Co. dem Volk die Party nicht vermiesen. Sie haben so getan, als könne Deutschland den Wiederaufbau quasi aus der Portokasse des Staats bezahlen. Das war natürlich Unsinn, wie sich rasch herausgestellt hat. Und weil sich dann keiner die Wahrheit zu sagen getraut hat, weil keiner die Steuersätze generell anheben wollte, wurde halt der „Solidaritätszuschlag“ erfunden. Das klang irgendwie überschaubar und endlich, und niemand regte sich auf. Keiner wollte knausrig erscheinen, da nun mal der Mantel der Geschichte über uns wehte.

Ganz nüchtern betrachtet jedoch war die Bezeichnung „Soli“ ein Etikettenschwindel. Er ist es bis heute. Die Einheit war viel teurer als gedacht, und die Rentenkassen leiden noch heute unter den Kosten. Mit dem „Soli“ wird zumindest ein Teil wieder in die Staatskasse hereingeholt. Man könnte sagen: Wir Deutschen haben für die Einheit einen Kredit an den Finanzmärkten aufgenommen und uns verschuldet. Mit dem Soli zahlen wir alle den Kredit zurück. Auf 1500 Milliarden Euro beläuft sich die Summe der Einheitskosten ungefähr, 13 Milliarden Euro bringt der „Soli“ jedes Jahr. Das sind 0,9 Prozent, was nicht schlecht ist. Allerdings zahlen wir auf diese Weise mehr als 100 Jahre ab. Rein finanztechnisch sollte der „Soli“ deshalb nicht abgeschafft, sondern angehoben werden. Aber das nur am Rande.

Politisch ist die Sache schwieriger. Dass die Väter der Einheit feige waren, will heute niemand mehr laut sagen. Weshalb es aus den Köpfen der Menschen nur langsam herauszubekommen ist, dass der „Soli“ eine ganz normale Bundessteuer ist. Mit ihm werden Hartz-IV-Empfänger in Essen genauso finanziert wie Schutzwesten unserer Soldaten in Afghanistan. Mit der Sanierung der Autobahn bei Jena hat der „Soli“ genau genommen nichts mehr zu tun.

Wer den Soli abschaffen will, der verspricht eine Senkung von Einkommen- und Körperschaftsteuern. Nur die FDP will das, nennt es jedoch nach den schlechten Erfahrungen 2009 nicht mehr so. Lieber setzt sie darauf, dass die Wähler die Zusammenhänge nicht kennen und den „Ostzuschlag“ satt sind. Die meisten Deutschen, das besagen Umfragen seit Jahren, wissen indes, dass Bildung, Infrastruktur und demografischer Wandel Herausforderungen für die Zukunft sind, die mindestens genauso teuer werden wie die Einheit. Die Solidarität geht also weiter. Unsere Solidarität mit den Kindern und Enkeln.

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