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Steuern runter?: Prekarisierung des Staates

Die Trickserei mit dem Schattenhaushalt wollen die Unterhändler ausbügeln, aus Angst vor den Verfassungsrichtern. Wie der Versuch gezeigt hat, ist die Achtung der „bürgerlichen Mehrheit“ vor den Bürgern deutlich geringer. Selten haben sich Koalitionäre derartig verstiegen, um einen Bubenstreich als höhere Moral zu verkaufen.

Die Trickserei mit dem Schattenhaushalt wollen die Unterhändler ausbügeln, aus Angst vor den Verfassungsrichtern. Wie der Versuch gezeigt hat, ist die Achtung der „bürgerlichen Mehrheit“ vor den Bürgern deutlich geringer. Selten haben sich Koalitionäre derartig verstiegen, um einen Bubenstreich als höhere Moral zu verkaufen. Von „Transparenz“ oder „gelebter sozialer Marktwirtschaft“ sprechen Christdemokraten, wo es allein um die Steuerpläne der FDP geht – auf Pump. Den wiederum haben die Liberalen unermüdlich gegeißelt, als sie die Regierungsbank erst noch erobern mussten. Schlimm genug. Doch das echte Schurkenstück ist die Politik, die sich da, in welcher Verkleidung auch immer, präsentiert: Riesige Schulden für allgemeine Steuersenkungen – eine Kombination, die den öffentlichen Sektor unvermeidlich schwächen wird.

Es ist keine Überraschung, dass der FDP das Steuer-Mantra wichtiger ist als alles andere. Wie sehr sich die Union, vor allem die CDU, dafür am Nasenring durch die Arena führen lässt, schon. Nicht ohne Grund hat Angela Merkel Vorfestlegungen vermieden, als FDP und CSU vor der Wahl ihren populistischen Steuerschönheits-Wettbewerb betrieben haben. Ihr Motiv war die (auch der FDP nicht unbekannte) Kenntnis der Lasten, die der Staatshaushalt unter dem Druck der Finanzkrise jetzt und mehr noch in den kommenden Jahren aushalten muss.

Die drohende schwarz-gelbe Schuldenmacherei für Steuersenkungen in allen Einkommensklassen lässt den Geist, der in die Finanzkrise geführt hat, noch einmal richtig aus der Flasche. Er darf mit voller Wirkung übergreifen auf das Gemeinwesen, den dummen Staat, der treu und brav ausgebadet hat, was die schlauen Finanzeliten angerichtet haben.

Wir sind liberal, aber nicht dumm, sollten die Bürger, voran vielleicht die Kanzlerin, einer Partei zurufen, die uns nach dem gigantischen Scheitern eines staatsfeindlichen Zeitgeistes neue Zauberworte einreden will. Die formelhaft in Aussicht gestellte Abfolge von Steuersenkung, Wachstum, sprudelnden Staatseinnahmen ist keine praktisch erprobte Erfahrung oder Wahrheit, sondern ein ideologischer Glaubenssatz. Er verdient die Skepsis, die der politische Mainstream vor der Krise nicht aufgebracht hat. Anderthalb Jahrzehnte galt unter Regierungen jeder Couleur die Devise: Privat vor Staat, Deregulierung der Märkte von rechtlichen Fesseln und Regeln. Vor allem die führenden Wirtschaftsakteure haben eine Staats- und Bürgerverachtung gepflegt, die jede Frage nach Sicherheiten, Schutz und öffentlichem Sektor in der schönen neuen Welt der freien Märkte als kleinmütig abgetan hat. Die Folge: ein schwacher öffentlicher Sektor, siehe Bildung oder Kinderarmut.

Die kleinmütigsten waren am Ende die ganz großen Player: Sie haben sich ja ganz auf den Staat verlassen. Auf ihn haben sich in dieser Lage auch neue Hoffnungen, neues Vertrauen der Bürger gerichtet. Handlungsfähiger wurde er indes nicht. Denn die öffentlichen Haushalte mussten sich vor einem Jahr in die Geiselhaft der fatalen Zockereien begeben, weil es nur schlechtere Alternativen gab.

Über Bildung und die Zukunft der 1,6 Millionen Kinder, die von Hartz IV leben, entscheiden die Stärke oder Schwäche der öffentlichen Hand. Dafür sind in Krisenzeiten Schulden erlaubt, sogar geboten, wie für eine gezielte Steigerung der Binnennachfrage. Die Besserverdienenden sind jetzt nicht dran – und neue, als freiheitlich getarnte Staatsverächter-Ideologien schon gar nicht.

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