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Steuerpolitik: Mitgefangen, mitgehangen

Warum Bund und Länder von ihrem allzu engen Steuerverbund wegkommen sollten.

Wenn wir Schulden machen, dann macht ihr auch Schulden.“ Der Satz stammt von einem führenden Haushaltspolitiker der Unionsfraktion im Bundestag, kolportiert aus den Verhandlungen mit den Ländern über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Er bringt den Zustand des bundesstaatlichen Steuer- und Haushaltswesens ganz gut auf den Punkt. Mitgefangen, mitgehangen – das ist das Schicksal der Länder und der Kommunen im großen Finanzverbund. Den hatte sich die große Koalition von Union und SPD Ende der 60er Jahre ausgedacht, als man im Zeichen eines zukunftsfrommen Etatismus noch glaubte, die Politik könne so ziemlich alles – vor allem die Konjunktur steuern, auf dass es niemals mehr zu Wirtschaftskrisen komme.

Dafür beanspruchte der Bund alle nötigen Instrumente, vor allem die Steuerpolitik. 1949 hatte man noch ein Trennsystem konzipiert (Umsatzsteuer beim Bund, Einkommensteuer für die Länder), doch das wurde 1969 aufgehoben. Seither sind die Umsatz- und Einkommensteuern sogenannte Gemeinschaftssteuern, stets gemeinsam beschlossen von Bundestag und Bundesrat, und das heißt: Bund und Länder haben sich aufs Engste miteinander verflochten. Zumal man noch eine ganze Reihe von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen erfand, mit dem Ergebnis, dass die Länder zu Erfüllungsgehilfen der Politik des Bundes wurden. Ihr zweifelhaftes politisches Glück liegt seither nicht zuletzt im Mitverhandeln und gelegentlichen Blockieren.

Zwar erwies sich der Traum von der krisenfreien Zukunft und der Anspruch der „Globalsteuerung“ schon bald als ein Wolkenkuckucksheim, das sich in der Ölkrise von 1973 in Luft auflöste. Dennoch hielt man am Gemeinschaftswerk von 1969 fest. Erst 2006 kam mit der ersten Föderalismusreform ein wenig Flexibilität ins System – aber kaum bei Steuern und Finanzen. Und mit der zweiten Föderalismusreform wurde den Ländern 2009 noch ihr letztes Autonomiereservat genommen, die Verschuldung. Sie wurde via Grundgesetz beschränkt – in der Sache kein Fehler, aber in der Form problematisch, denn unabhängiger machte das die Länder nicht.

Das Ergebnis der jahrzehntelangen Gemeinschaftsveranstaltung lässt sich derzeit wieder besichtigen: Ruft man im Bund (wie jetzt die FDP und Teile der Union) nach einer Steuerreform, dann schallt einem es aus den Ländern entgegen, es gehe nicht, weil man dann mehr Schulden machen, Leistungen kürzen, Ausgaben senken müsse. Und die Kommunen singen das gleiche Lied. Das ist durchaus verständlich, denn Staat ist in Deutschland nun einmal vor allem Sache der Länder und Gemeinden: Sie kümmern sich um Schulen und Lehrer, Polizisten und Straßenbau, Umwelt und Krankenhäuser. Insofern ist es sinnvoll, dass die Etats der Länder, Städte, Kreise und Gemeinden eine gewisse Stetigkeit besitzen. Aber wenn sie mit der Steuerpolitik des Bundes nichts zu tun haben wollen – warum fordern Länder und Kommunen dann nicht mehr Autonomie und Selbstständigkeit für sich selbst? Weil sie Verantwortung scheuen und es doch bisher so bequem war, sich beim Bund unterzustellen?

Andererseits will der Bund Wirtschafts- und Konjunkturpolitik machen (so weit das im europäischen und globalen Rahmen noch geht), und dazu gehört nun einmal die Steuerpolitik, Entlastungen wie die Altwagenprämie inklusive. Aktive Steuerpolitik beim Bund beißt sich aber mit dem Stetigkeitsverlangen in Ländern und Kommunen.

Dass der Finanzverbund von Bund und Ländern Defizite aufweist und seine Grenzen wohl erreicht hat, ist mittlerweile unbestritten. Die aktuelle Debatte zwischen „es muss“ und „es geht nicht“ bestätigt das nur. Warum die Politik daran festhält, weiß sie inzwischen wohl selbst nicht mehr. Insofern wäre es sinnvoll zumindest darüber nachzudenken, wie man vom allzu engen Steuerverbund wegkommen könnte: damit jede staatliche Ebene autonomer handeln kann, damit Einnahmen- und Ausgabenverantwortung wieder stärker gekoppelt sind.

Vorschläge für Reformen gibt es eine Menge, von Zu- und Abschlagsrechten für Länder und Kommunen bei der Einkommensteuer (in anderen Staaten gibt es das auch) bis hin zur Rückkehr zu getrennten Systemen. In jedem Fall aber sollte die Politik einmal erklären, warum ein Steuersystem gut sein soll, das aus einer Zeit stammt, deren Politikmodell mittlerweile ad acta gelegt ist.

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