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Steuervereinfachung: Ganze drei Euro

70 Prozent der weltweiten Steuerliteratur sind angeblich auf Deutsch verfasst – da muss doch endlich was zu machen sein! Doch die Steuervereinfachung wird offenbar schon wieder vertagt.

Steuervereinfachung – der verheißungsvolle Begriff scheint zu einem unauflösbaren Paradoxon zu verkommen. Er wurde zwar dem Reförmchen ohnehin kaum gerecht, das die Bundeskanzlerin gerade noch angepriesen hat. In ihrer Neujahrsansprache nannte Angela Merkel das Vorhaben sogar als eines der wichtigen „Etappenziele“ ihrer Regierung. Aber ein paar Tage später wird das Rennen schon vertagt. Die Drei-Prozent-FDP sträubt sich kaum. Sie ist ja auch mit sich selbst beschäftigt. Mehr Netto, das war einmal.

Um 590 Millionen Euro wollte der Fiskus die Bürger jetzt entlasten, was angesichts all der Milliarden, die er seit der Finanzkrise für die Banken, aber auch für Autokonzerne und Bauunternehmen rausgehauen hat, keine sensationelle Summe ist. Nebenbei: Exakt ein Jahr ist es her, dass die Hotelbranche um rund eine Milliarde pro Jahr entlastet wurde. Und dabei wurde die Mehrwertsteuer nicht etwa einfacher, sondern noch komplizierter. Ein Irrsinn ist das.

Der Bierdeckel von Friedrich Merz, die Flat Tax von Paul Kirchhof waren wenigstens noch Ideen, über die man streiten konnte, bei denen es um etwas ging. Aber das hier ist ja schon Kleinklein, bevor die Gesetzgebung überhaupt beginnt. Es geht im Kern um die Erhöhung der Werbungskostenpauschale um sage und schreibe 80 Euro auf 1000 Euro, die jetzt nicht in diesem, sondern erst im nächsten Jahr wirksam werden soll.

Viel bleibt dabei sowieso nicht hängen. Ungefähr die Hälfte der Steuerzahler macht höhere Werbungskosten geltend, verbessert sich also überhaupt nicht. Die anderen haben am Ende höchstens ganze drei Euro pro Monat mehr in der Tasche. Ist es zynisch, darauf hinzuweisen, dass sogar die Hartz-IV-Empfänger, die fünf Euro mehr kriegen sollen, besser gestellt werden? Jedenfalls kommt der XL-Aufschwung, den die Bundesregierung feiert, bei den Menschen nicht an. Im Gegenteil: Die Kosten für Energie und Krankenversicherung steigen vermutlich viel stärker als die Löhne.

Wolfgang Schäuble mag recht haben, dass der bürokratische Aufwand zu groß wäre, die Werbungskostenpauschale rückwirkend zum Jahresanfang zu erhöhen. Aber vielleicht zeigt der Finanzminister, der seine Karriere vor 40 Jahren im Finanzamt Freiburg begann, auch einfach zu viel Verständnis für die Bürokratie. Auf jeden Fall aber hätte man sich das früher überlegen müssen. Die Krux ist ja gerade nicht, dass hier ein brillantes Vorhaben scheitert, sondern dass die Regierung ein ums andere Mal Erwartungen weckt, denen sie dann nicht mal im Ansatz gerecht wird. Selbst Menschen, die im Grundsatz für Werte einer christlich-liberalen Koalition stehen, wenden sich schaudernd ab. Da sind die Grünen konservativer, da zeigt sich die SPD liberaler. Das politische Jahr beginnt erst, und die Koalition hat es schon wieder versaut, genau wie vor einem Jahr mit dem Steuernachlass für die Hoteliers.

Dabei sprechen die objektiven Daten – Arbeitslosigkeit, Inflation, Wachstum – eigentlich für die Regierenden. Andere würden Kapital ohne Ende daraus schlagen, doch diese Truppe lässt vergessen, was sie richtig gemacht hat. Und wenn es geboten ist, das Geld zusammenzuhalten, dann wäre es doch das Mindeste gewesen, wenigstens der Verheißung vom Bierdeckel näherzukommen. Sicher, einfacher heißt meist auch ungerechter, weil der Einzelfall weniger zählt. Aber 70 Prozent der weltweiten Steuerliteratur sind angeblich auf Deutsch verfasst – da muss doch endlich was zu machen sein!

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