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Meinung: Stoiber, nicht Merkel: Mit Mut zum Verzicht

Man muss, so hat Angela Merkel zu Recht betont, die Dinge vom Ende her denken. Insofern hat sich das Verfahren in der K-Frage, das die CDU-Chefin mit Zähnen und Klauen verteidigte, zum guten Schluss bewährt.

Man muss, so hat Angela Merkel zu Recht betont, die Dinge vom Ende her denken. Insofern hat sich das Verfahren in der K-Frage, das die CDU-Chefin mit Zähnen und Klauen verteidigte, zum guten Schluss bewährt. Denn die Union hat in den Augen der Wähler dabei keinen Schaden genommen, in den jüngsten Umfragen sogar noch zugelegt. Auch in der Sache ist das richtige Ergebnis herausgekommen: Merkel wird nicht Kanzlerkandidatin.

Zum Thema Rückblick: Die Union und die K-Frage Umfrage: Ist Stoiber ein guter Kandidat? Chronologie: Monatelange Diskussionen Fotostrecke: Die Entscheidung Das ist gut für die Union, weil es ihre Wahlchancen erhöht. Es ist aber auch gut für die politische Kultur in Deutschland. Edmund Stoiber, der aus dem Süden und von rechts kommt, wird sich nach Norden und Richtung Mitte bewegen, und er wird den Kanzler in eine echte Kontroverse über die Wirtschafts- und Sozialpolitik verstricken können. Die Gefahr scheint gering zu sein, dass Stoiber seinen Schwächen nachgibt und populistisch überzieht, wie er es früher gelegentlich tat. Denn die Mehrheit, die er erobern will, die ist nicht so.

Wenn er im Wahlkampf reüssiert, dann werden wir den interessantesten und liberalsten Stoiber erleben, den es je gab. Der wäre uns verloren gegangen, wenn Merkel sich durchgesetzt hätte. Die wiederum geht der Union nicht verloren, denn sie kann eine zweite Chance bekommen, wenn sie aus ihren Fehlern lernt.

Vor zwei Jahren wurde sie zur Retterin der CDU, weil sie mutig war. Sie wird nun nicht Kanzlerkandidatin, weil der Mut sie verlassen hat: Zwei Jahre lang hat sie versucht, inhaltliche Festlegungen zu vermeiden. Stattdessen hat Merkel abgewartet, wie sich die Dinge entwickeln, um sich dann an die Spitze zu setzen. Und wenn sie mal nicht rechtzeitig gemerkt hat, wo der Hase hinläuft - wie bei der Leitkultur-Debatte -, dann war sie binnen weniger Tage zweier Meinungen. Das war ihre Strategie, sie nannte sie: die Kraft der Unschärfe. Natürlich bringt es taktische Vorteile, wenn man in einer unübersichtlichen, wechselhaften Welt alle Optionen bis zum Schluss offen hält. Doch offenbar reichte das nicht aus, um die Partei und die Wähler zu überzeugen. Weil man nicht wusste, wofür sie stand, stand am Ende auch niemand mehr für sie ein.

Glücklicherweise. Denn für die politische Kultur liegt eine der größten Gefahren gerade darin, dass die Konturen des Politischen verblassen, dass es kein Für und Wider mehr gibt, sondern nur noch Unschärfe und Durcheinander. Die CDU-Chefin hat das Risiko der Erkennbarkeit konsequent vermieden, weit konsequenter als vergleichbare Politiker, Wolfgang Schäuble etwa, Joschka Fischer, sogar Guido Westerwelle und auch Helmut Kohl. Doch wer schon in der Opposition nur aussitzt, was soll aus dem in der Regierung werden?

Mutig und kaltblütig war Angel Merkel in der Machtfrage. Da agierte sie eher als Physikerin, die sich ausgerechnet hat, dass eine CDU-Chefin die größere Gravitation hat als ein CSU-Chef. Doch funktioniert Politik nicht so wie Physik, weswegen der recht feinnervige Stoiber es wird und die Frau ohne Nerven nicht.

In dieser Niederlage von Merkel steckt jedoch auch ein Sieg der Parteichefin. Die CDU steht in Umfragen gut da, und sie steht nun geschlossen hinter Edmund Stoiber. Auch wegen dieses Erfolges bleibt Merkel eines der größten politischen Talente der Union. Vieles spricht dafür, dass es ihr gelingen kann, Parteichefin zu bleiben und mit guten Aussichten in die Nach-Stoiber-Zeit zu gehen.

Wenn sie eines Tages inhaltlich nur halb so mutig wird, wie sie es machtpolitisch ist, dann wird man eine wie sie noch brauchen können. Auch ganz vorn.

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