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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Stoppeln am Kinn: The sexiest man alive

Zwei Drittel der Frauen finden Männer mit Drei-Tage-Bart sexy. Unser Kolumnist Helmut Schümann lässt umgehend sprießen. Leider sind die drei Tage um, und schon ist die Männlichkeit wieder weg.

Diese Zeichnung hier in der Mitte entspricht heute nicht ganz der Realität. Die Geheimratsecken stimmen, das etwas strubbelige Haupthaar ebenso, die durch Gläser abgemilderte Sehschwäche ebenso. Aber unten, an den Wangen und am Kinn fehlt heute etwas. In Wirklichkeit sind da heute Stoppeln zu sehen. Am besten, Sie nehmen sich einen Bleistift und zeichnen die Stoppeln dazu. Et voilà: The sexiest man alive. Von Zeit zu Zeit tut es dem Mann ganz gut, wenn man ihn sexy nennt, besonders, wenn diese Benennung auch noch amtlich bescheinigt wird. Damit jetzt niemand auf den Gedanken kommt, der Kolumnist mit seiner Knubbelnase und den Alters-, äh, Denkerfalten könne größenwahnsinnig geworden sein, hier die amtliche Untermauerung seines sexuellen Status. Mehr als die Hälfte der Deutschen findet Männer mit Gesichtsbehaarung sexy. Und bei den Frauen sind es 66 Prozent, das sind nahezu zwei Drittel. Zwei Drittel aller Frauen in Deutschland kribbelt es, wenn sie einen wie hier abgebildeten Mann mit Bartbehaarung sehen. Et voilà: The sexiest man alive. Quod erat demonstrandum.

Es versteht sich von selbst, dass es sich bei der Bartbehaarung um einen Drei-Tage-Bart handelt, Sie müssen also nur einige Stoppeln ins Bild zeichnen, keinen Wuschelbart, keinen Vollbart, erst recht keine gedrechselten Spitzen.

Der Rauschebart ist aber so etwas von out, seit Hipster und Salafisten ihn tragen. Welcher Mann will sich damit schon gemein machen? Ebenso verhält es sich mit dem Schnäuzer, nach seinen hartnäckigsten Trägern auch Pornobalken genannt. Der Kinnbart heißt auch Ziegenbart, was ihn nicht attraktiver macht. Und der Vollbart ist etwas für Thierse, Wolfgang.

Nein, es ist der Drei-Tage-Bart, der diese animalische Anziehungskraft verströmt und Frauen in Scharen schwach werden lässt. Dieses Signet der Männlichkeit, der archaischen Kraft, der Verwegenheit, Furchtlosigkeit und Abenteuerlust. Dahinter steckt ein Draufgänger, ein furchtloser Naturkerl, der Wind und Wetter nicht scheut, der die wilden Tiere in der Nacht verscheucht, bevorzugt mit seinem Schnarchen, und der da draußen in der Wildnis und im Dschungel mit aalglatter Rasur dem Tode geweiht wäre. Aber wir Drei-Tage-Bartmänner trotzen. Und nun ist aber gut mit dem Loblied auf die Faulheit vor dem Spiegel. Zumal die drei Tage beim Kolumnisten um sind. Und ritsch, ratsch ist sie wegradiert, äh, -rasiert, die Männlichkeit.

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